Heft 
(1894) 81
Seite
119
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Briefe von Ernst Moritz Arndt aus dem Frankfurter Parlament. 119

Linke, Rechte? Die Rechte darf gottlob beinahe aus dreiviertel der Ver­sammlung angeschlagen werden; und doch muß wegen der Meinung des Tages, wie sie einmal im Vaterlande, ja in ganz Europa steht, schon der verständigen Klugheit wegen mit manchem wüsten Unsinn sacht und säuberlich verfahren werden. Auch sind Rücksichten da, die in den verschiedenen Parteiansichten der sogenannten Rechten ihren Grund haben, wovon ich gestern Abend in einem Club der Ge­mäßigten, im sogenannten Steinernen Hanse, zu dessen Vicepräsidenten man mich gewählt hat, recht lebendige Vorstellungen bekommen habe, da in diesem Club manche Bayern und auch Abelliner H sitzen.

In der Linken sind nun mehrere vollgebrannte Republikaner. Was, Republikaner? Nihilisten, Gleichmacherund Levellers in schlimmster Bedeutung müssen sie heißen;.. . vollstes nichtigstes Nichts von einem wilden gelernten Kram politischer in leerer Lust tanzender Gespinnste, aber immer die fertigsten, Lärm, Entzweiung, Erbitterung zu erregen und Alles mit dem Samen des Hasses und Verdachtes zu bestreuen, kurz Lärm und bösestes Nichts zu machen. Diese sind im Hause bis jetzt noch nicht weit vorgedrungen; sie scheinen (nämlich die Gefährlichen und Wildesten unter ihnen gerechnet) nicht mehr als ein Viertel der Versammlung auszumachen; aber anders steht es, wenn man nach draußen schaut und ihre äußere Wirksamkeit in Anschlag bringt. Sie sind, wie alles Böse, von einer unglaublichen Thätigkeit und Gerührigkeit und stehen in Gasthäusern und Kneipen täglich in besonderen Clubs aus den Bänken und bearbeiten auf den Märkten und in den Städten und Flecken

die Jugend und das kleine Volk in Versammlungen von 5000 bis 10 000, wo sie

ihnen das süße Gift der allbeglückenden Republik in die Ohren gießen.

Preußen? Unglaublich, wie es dieser Rotte gelungen ist, den Namen und das Königshaus in der Meinung herunterzubringen. An einen deutschen, vollends einen preußisch-deutschen Kaiser gar nicht mehr zu denken. Ich sehe noch nicht, wie man eine befehlende und aussührende Macht schassen will, die wirklich Macht sei. Ach! wie vieles provisorisch, und in so gefährlicher Zeit. Wir müssen es einmal als ein deutsches Verhänguiß nehmen, daß unser Herr die rechte Zeit ver­gessen hat und daß die Herrschaft zur Probe an Buben und Jungen kommen sollte.

Sonst bin ich diese Festtage etwas aus dem Lande gewesen, am Taunus und

bei dem alten Minister Gagern. Ich bin gesund und finde mich. Wir haben

schönstes Wetter, und ihr als auch. Ade. Tausend Grüße an lieb Weib und alle Freunde. Dein E. M- A.

idi. 8. Bunsen ist nicht gekommen. Georg Bunsen ist hier. Manche alte Freunde und Bekannte sehe ich wenigstens nun. Wir sind gewöhnlich müde von Sitzungen und Arbeiten in den Ausschüssen^).

II. 3)

Dein lieber Brief, Geliebter, führt mich zuvörderst zu ganz eigenen Betrach­tungen oder, wenn Du willst, Bemerkungen; und so mögen sie denn voranlausen.

0 Abelliner, ein offenbar von Arndt zur Bezeichnung bayerischer Ultramontaner gebildeter Ausdruck, wozu der bekannte Minister v. Abel, den die Lola Montez - Affaire stürzte, mit seinen starten ultramontancn Neigungen die Veranlassung bot. Die hier von Arndt hervorgehobene Verschiedenheit der Ansichten imSteinernen Hanse" führte noch im Laufe des Sommers zu einer Trennung und Spaltung der Theilnehmer; von demSteinernen Hause" als Bezeichnung einer Partei ist seitdem nicht mehr die Rede. Arndt selbst schloß sich keiner der neuen Parteien an, sondern bliebWilder" oder, wie man damals sagte,Strandlüufer".

2) Arndt gehörte zumAusschuß für völkerrechtliche und internationale Fragen", und zwar als Stellvertreter des Vorsitzenden, und weiter war er Anfangs in der fünfzehnten, später in der zweiten Abtheilung des Parlaments.

b) Ohne Datum; aber Ende Juni geschrieben. Das letzte darin erwähnte Ereigniß ist die Wahl des Erzherzogs Johann von Oesterreich zum Reichsverweser, die aus den 29. Juni fällt.