Heft 
(1894) 81
Seite
221
Einzelbild herunterladen

Die Reform der preußischen Agrarverfassung und die Berliner Cvnferenz.

221

sind es heute nicht nur die Besitzer geringer, sondern auch diejenigen großer Capitalien, welche in der Regel keine im Verhältnisse zur Größe ihres Capitals stehenden Landgüter kaufen mögen; und daß die Conjunctur hin­sichtlich der Höhe der Cerealienpreise und der Productionskosten noch eine Weile anhalten werde, scheint außer Zweifel zu stehen. Möglich hingegen, daß ein anderer Factor der Bodenpreisbildung, der Zins des Geldcapitals, sich früher verändern, d. h. steigen wird; aber diese Veränderung würde bei sonst gleichbleibender oder gar fortgesetzt sinkender Bodenrente naturnothwendig ein Sinken der Bodenpreise zur Folge haben, so daß vollends in diesem Falle von einer Belebung der Speculation in Güterkäusen nichts zu fürchten wäre.

So wird denn, was durch die Verschuldungsgrenze erreicht werden soll, wahrscheinlich auch ohne dieselbe durch das bestimmten Anstalten für den Real- und Personalcredit zu ertheilende beschränkte Monopol erreicht werden. Ja es wird durch diese Unterlassung sogar ein nicht wünschenswerther und daher nicht gewollter Effect vermieden werden. Sollen nämlich durch das Anerbenrecht die Tendenzen gestärkt werden, durch welche der Grundbesitz in der Familie erhalten wird, so würde die Verschuldungsgrenze umgekehrt den­selben in die capitalkräftigsten Hände hinansdrängen. Das würde aber ver­mieden werden, wenn die Beschränkung der hypothekarischen Verschuldung unterbliebe.

Zum Schluß sei noch der Voraussetzungen gedacht, die erfüllt sein müssen, wenn die oben auch von mir befürworteten Reformen nicht nur beschlossen werden, sondern auch in Fleisch und Blut der Bevölkerung, für die sie be­stimmt sind, übergehen sollen.

Hier ist nun weniger an die großen Grundbesitzer zu denken, die, soweit die Neuerungen nicht direct gegen ihr Interesse sind, durch Belehrung zu Freunden derselben gemacht werden können.

Dagegen wird es schwer halten, denselben Einfluß in Kurzem auch aus die Bauern zu gewinnen. Hier wird Alles von der Zeit und ihrem Einfluß zu erwarten sein. Es wird daher wenigstens für den Anfang darauf ver­zichtet werden müssen, die Wirksamkeit des neuen Rechtes von der Initiative der Bauern abhängig zu machen oder auch nur die Unwirksamkeit desselben durch ihr Veto zu provociren. Vor Allem wird die neue Gesetzgebung keine Bestimmungen enthalten dürfen, die gegen die Rechtssätze, welche erst unlängst für die Bauernschaft errungen worden sind und sich namentlich auf ihre Be­freiung beziehen, verstoßen.

Aber auch auf denjenigen Theil der ländlichen Bevölkerung, der an den Reformen nicht direct betheiligt ist, wird Rücksicht zu nehmen sein. Ich meine die besitzlosen ländlichen Arbeiter. Hier wird Alles gethan werden müssen, um diese bei jeder passenden Gelegenheit über den wahren Sinn und die Tragweite der Reformen aufzuklären. Nöthigenfalls wird der politischen und socialen Demokratie und der von ihnen bei solchen Gelegenheiten gern geschwungenen Gleichheitssahne entgegenzutreten sein. Die Frage der Schuld­entlastung, des Ausbaues der Creditorganisation und der Einführung der Zwangstilgung für den hypothekarischen Credit wird die besitzlosen Arbeiter