Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

heranzuziehen; Effi begann mit dem, was ihr in Erinnerung geblieben, und gleich nach ihr kam der Pastor an die Reihe. Dieser, ein Jronikus, hatte die Trippelli, wie nach vielem sehr Weltlichen, so schließlich auch nach ihrer kirch­lichen Richtung befragt und dabei von ihr in Erfahrung gebracht, daß ste nur eine Richtung kenne, die orthodoxe. Ihr Vater sei freilich ein Rationalist gewesen, fast schon ein Freigeist, weshalb er auch den Chinesen am liebsten aus dem Gemeindekirchhof gehabt hätte; sie ihrerseits sei aber ganz entgegengesetzter Ansicht, trotzdem sie persönlich des großen Vorzugs genieße, gar nichts zu glauben. Aber sie sei sich in ihrem entschiedenen Nichtglauben doch auch jeden Augenblick bewußt, daß das ein Specialluxus sei, den man sich nur als Privat­person gestatten könne. Staatlich höre der Spaß auf, und wenn ihr das Cnltusministerium oder gar ein Consistorialregiment unterstünde, so würde sie mit unnachsichtiger Strenge Vorgehen.Ich fühle so 'was von einem Tor- quemada in mir."

Jnnstetten war sehr erheitert und erzählte seinerseits, daß er etwas so Heikles, wie das Dogmatische, geflissentlich vermieden, aber dafür das Mora­lische desto mehr in den Vordergrund gestellt habe. Hauptthema sei das Ver­führerische gewesen, das beständige Gesährdetsein, das in allem öffentlichen Auftreten liege, worauf die Trippelli leichthin und nur mit Betonung der zweiten Satzhälfte geantwortet habe:Ja, beständig gefährdet; am meisten die Stimme."

Unter solchem Geplauder war, ehe man sich trennte, der Trippelli-Abend noch einmal an ihnen vorübergezogen und erst drei Tage später hatte sich Gieshübler's Freundin durch ein von Petersburg aus an Esst gerichtetes Tele­gramm noch einmal in Erinnerung gebracht. Es lautete: ülaämns la Larouns ä'Inn8tsttsn, nss äs lZrisst. Lien urriväs. kriues ü. n la pars. klu8 spris äs moi gus sanmis. Nills tois msrei äs votrs von aceusil. Oomplimeuw sin- prs8868 ä NonÄsur 1s Larou. Naristta Trippelli.

Jnnstetten war entzückt und gab diesem Entzücken lebhafteren Ausdruck als Esst begreifen konnte.

Ich verstehe Dich nicht, Geert."

Weil Du die Trippelli nicht verstehst. Mich entzückt die Echtheit; Alles da, bis auf das Pünktchen überm i."

Du nimmst also Alles als eine Komödie."

Aber als was sonst? Alles berechnet für dort und für hier, für Kotschu- koff und für Gieshübler. Gieshübler wird Wohl eine Stiftung machen, viel­leicht auch bloß ein Legat für die Trippelli."

Die musikalische Soirse bei Gieshübler hatte Mitte December statt­gefunden, gleich danach begannen die Vorbereitungen für Weihnachten, und Esst, die sonst schwer über diese Tage hingekommen wäre, segnete es, daß sie selber einen Hausstand hatte, dessen Ansprüche befriedigt werden mußten. Es galt nachsinnen, fragen, anschafsen, und das Alles ließ trübe Gedanken nicht aufkommen. Am Tage vor Heiligabend trafen Geschenke von den Eltern aus Hohen-Cremmen ein, und mit in die Kiste waren allerhand Kleinigkeiten aus dem Cantorhause gepackt: wunderschöne Reinetten von einem Baum, den