Effi Briest.
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Effi und Jahnke vor mehreren Jahren gemeinschaftlich oculirt hatten, und dazu braune Puls- und Kniewärmer von Bertha und Hertha. Hulda schrieb nur wenige Zeilen, weil sie, wie sie sich entschuldigte, für X. noch eine Reisedecke zu stricken habe. „Was einfach nicht wahr ist," sagte Effi. „Ich wette, X. existirt gar nicht. Daß sie nicht davon lassen kann, sich mit Anbetern zu umgeben, die nicht da sind!"
Und so kam Heiligabend heran.
Jnnstetten selbst baute aus für seine junge Frau, der Baum brannte und ein kleiner Engel schwebte oben in Lüften. Auch eine Krippe war da mit hübschen Transparenten und Inschriften, deren eine sich, in leiser Andeutung, aus ein dem Jnnstetten'schen Hause für nächstes Jahr bevorstehendes Ereigniß bezog. Effi las es und erröthete. Dann ging sie auf Jnnstetten zu, um ihm zu danken, aber eh' sie dies konnte, flog, nach altpommerschem Weihnachtsbrauch, ein Julklapp in den Hausflur: eine große Kiste, drin eine Welt von Dingen steckte. Zuletzt fand man die Hauptsache, ein zierliches, mit allerlei japanischen Bildchen überklebtes Morsellenkästchen, dessen eigentlichem Inhalt auch noch ein Zettelchen beigegeben war. Es hieß da:
Drei Könige kamen zum Heiligenchrist,
Mohrenkönig einer gewesen ist; —
Ein Mohrenapothekerlein Erscheinet heute mit Spezerein,
Doch statt Weihrauch und Myrrhen, die nicht zur Stelle Bringt er Pistazien- und Mandel-Morselle.
Effi las es zwei-, dreimal und freute sich darüber. „Die Huldigungen eines guten Menschen haben doch etwas besonders Wohlthuendes. Meinst Du nicht auch, Geert?"
„Gewiß meine ich das. Es ist eigentlich das Einzige, was einem Freude macht oder wenigstens Freude machen sollte. Denn Jeder steckt noch so nebenher in allerhand dummem Zeuge drinn. Ich auch. Aber freilich, man ist wie man ist."
Der erste Feiertag war Kirchtag, am zweiten war man bei Borcke's draußen, Alles zugegen, mit Ausnahme von Grasenabb's, die nicht kommen wollten, „weil Sidonie nicht da sei", was man als Entschuldigung allseitig ziemlich sonderbar fand. Einige tuschelten sogar: „Umgekehrt; gerade deshalb hätten sie kommen sollen." Am Sylvester war Ressourcenball, auf dem Effi nicht fehlen durfte und auch nicht wollte, denn der Ball gab ihr Gelegenheit, endlich einmal die ganze Stadtftora beisammen zu sehen. Johanna hatte mit den Vorbereitungen zum Ballstaate für ihre.Gnäd'ge vollauf zu thun, Gieshübler, der, wie Alles, so auch ein Treibhaus hatte, schickte Camelien, und Jnnstetten, so knapp bemessen die Zeit für ihn war, fuhr am Nachmittage noch über Land nach Papenhagen, wo drei Scheunen abgebrannt waren.
Es war ganz still im Hause. Kriftel, beschäftigungslos, hatte sich schläfrig eine Fußbank an den Herd gerückt, und Effi zog sich in ihr Schlafzimmer zurück, wo sie sich, zwischen Spiegel und Sopha, an einen kleinen, eigens zu diesem Zweck zurecht gemachten Schreibtisch setzte, um von hier aus an die
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