Heft 
(1894) 81
Seite
327
Einzelbild herunterladen

Liebesgefühle durch und neben einander hatte, die des Vaters und Onkels, des Lehrers und Verehrers. Effi war gerührt von dem allen und schrieb öfters darüber nach Hohen - Cremmen, so daß die Mama sie mit ihrerLiebe zum Alchymisten" zu necken begann; aber diese wohlgemeinten Neckereien verfehlten ihren Zweck, ja berührten sie beinahe schmerzlich, weil ihr, wenn auch unklar, dabei zum Bewußtsein kam, was ihr in ihrer Ehe eigentlich fehlte: Hul­digungen, Anregungen, kleine Aufmerksamkeiten. Jnnstetten war lieb und gut, aber ein Liebhaber war er nicht. Er hatte das Gefühl, Effi zu lieben, und das gute Gewissen, daß es so sei, ließ ihn von besonderen Anstrengungen absehen. Es war fast zur Regel geworden, daß er sich, wenn Friedrich die Lampe brachte, aus seiner Frau Zimmer in sein eigenes zurückzog.Ich habe da noch eine verzwickte Geschichte zu erledigen." Und damit ging er. Die Portiere blieb freilich zurückgeschlagen, so daß Effi das Blättern in dem Aktenstück oder das Kritzeln seiner Feder hören konnte, aber das war auch Alles. Rollo kam dann Wohl und legte sich vor sie hin aus den Kaminteppich, als ob er sagen wolle:Muß nur 'mal wieder nach Dir sehen; ein Anderer thut's doch nicht." Und dann beugte sie sich nieder und sagte leise:Ja, Rollo, wir sind allein." Um Nenn erschien dann Jnnstetten wieder zum Thee, meist die Zeitung in der Hand, sprach vom Fürsten, der wieder viel Aerger habe, zumal über diesen Eugen Richter, dessen Haltung und Sprache ganz un- qualificirbar seien, und ging dann die Ernennungen und Ordensverleihungen durch, von denen er die meisten beanstandete. Zuletzt sprach er von den Wahlen, und daß es ein Glück sei, einem Kreise vorzustehen, in dem es noch Respect gäbe. War er damit durch, so bat er Effi, daß sie 'was spiele, aus Lohengrin oder aus der Walküre, denn er war ein Wagner-Schwärmer. Was ihn zu diesem hinübergesührt hatte, war ungewiß; Einige sagten seine Nerven, denn so nüchtern er schien, eigentlich war er nervös; Andere schoben es aus Wagner's Stellung zur Judensrage. Wahrscheinlich hatten beide Recht. Um Zehn war Jnnstetten dann abgespannt und erging sich in ein paar wohl­gemeinten, aber etwas müden Zärtlichkeiten, die sich Effi gefallen ließ, ohne sie recht zu erwidern.

q- -i-

So verging der Winter, der April kam, und in dem Garten hinter dem Hofe begann es zu grünen, worüber sich Effi freute; sie konnte gar nicht ab- warten, daß der Sommer komme mit seinen Spaziergängen am Strand und seinen Badegästen. Wenn sie so zurückblickte, der Trippelli - Abend bei Gies- hübler und dann der Shlvesterball, ja, das ging, das war etwas Hübsches ge­wesen; aber die Monate, die dann gefolgt waren, die hatten doch viel zu wünschen übrig gelassen, und vor Allem waren sie so monoton gewesen, daß sie sogar 'mal an die Mama geschrieben hatte:Kannst Du Dir denken, Mama, daß ich wich mit unsrem Spuk beinah' ausgesöhnt habe? Natürlich die schreckliche Nacht, wo Geert drüben beim Fürsten war, die möcht' ich nicht noch einmal durchmachen, nein, gewiß nicht; aber das immer Alleinsein und so gar nichts Erleben, das hat doch auch sein Schweres, und wenn ich dann in der Nacht