Heft 
(1879) 26
Seite
148
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Theodor Fontane in Berlin.

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Höre, Grete, ich glaube, da hast Du Recht."

Ein richtiges Nest, ich meine von einem kleinen Vogel, nicht ein- Krähen- oder Storchennest, das muß so weich sein, wie der Flachs von ReginenK Wocken."

Und so ist es auch. Komm' nur. Ich zeig' es Dir." Und dabei sprang er vom Zaun in den Garten seines elterlichen Hauses zurück.

Ich darf nicht," sagte Grete.

Du darfst nicht?"

Nein, ich soll nicht. Trud' ist dawider."

Ach Trud', Trud'. Trud' ist Deine Schwieger, und eine Schwieger ist nicht mehr als eine Schwester. Wenn ich eine Schwester hätte, die könnte den ganzen Tag befehlen und verbieten. Ich thät es doch. Schwester ist Schwester. Spring'. Ich fange Dich."

Hole die Leiter."

Nein, spring'."

Und sie sprang, und er fing sie geschickt in seinen Armen auf.

Jetzt erst sah man ihre Gestalt. Es war ein halbwachsenes Mädchen,, sehr zart gebaut, und ihre feinen Linien, noch mehr das Oval und die Farbe ihres Gesichts, deuteten auf eine Fremde.

Wie Du springen kannst," sagte Baltin, der seinerseits einen ächü märkischen Breitkopf und vorspringende Backenknochen hatte.Du fliegst ja nur so. Und nun komm, nun will ich Dir das Nest zeigen."

Er nahm sie bei der Hand, und zwischen Gartenbeeten hin, aus denem Dill und Pastinak in hohen Dolden standen, führte er sie bis in den Mittel­gang, der weiter abwärts vor einer Geisblatt-Laube endigte.

Ist es hier?"

Nein, in dem Hollunder."

Und er bog ein paar Zweige zurück und wies ihr das Nest.

Grete sah neugierig hinein und wollte sich damit zu schassen machen,, aber jetzt umkreiste sie der Vogel, und Valtin sagte:laß; er ängstigt sich. Es ist wegen der Jungen; unsere Mütter sind nicht so bang um uns."

Ich habe keine Mutter," erwiderte Grete scharf.

Ich weiß," sagte Valtinaber ich vergesst es immer wieder. Sieht sie doch aus, als ob sie Deine Mutter wäre, versteht sich Deine Stiefmutter. Höre, Grete, sieh Dich vor. Hübsch ist sie, aber hübsch und bös. Und Dw kennst doch das Märchen vom Machandelboom?"

Gewiß kenn' ich das. Das ist ja mein Lieblingsmärchen. Und Regine muß es mir immer wieder erzählen. Aber nun will ich zurück in unfern Garten.

Nein, Du mußt noch bleiben. Ich freue mich immer, wenn ich Dichö habe. Du bist so hübsch. Und ich bin Dir so gut."

Ach, Narrethei. Was soll ich noch bei Dir?"

Ich will Dich noch ansehen. Mir ist immer so wohl und so weh,.