Heft 
(1879) 26
Seite
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Theodor Fontane in Berlin.

was Ihr mir über das Kind gesagt habt," sagte Gigas.Ihr verkennt es. Es ist ein verzagtes Herz und kein trotzig Herz. Ich sah wie sie zitterte, und der Spruch, den sie sagen sollte, wollt' ihr nicht über die Lippen. Nein, es ist ein gutes Kind und ein schönes Kind. Wie die Mutter/'

In Trud's Auge zuckte wieder ein gelber Strahl auf, denn sie hörte nicht gern eines andern Lob, und in herbem Tone wiederholte sie:Wie die Mutter ... Ich muß es glauben, daß sie schön war. Ihr sagt es und alle Welt sagt es. Aber ich wollte, sie war' es weniger gewesen. Denn damit zwang sie's und hat unser Haus behext und in den alten Aberglauben znrück- fallen lassen. So sürcht'ich. Und daß ich's offen gesteh, ich traue dem alten Jacob Minde nicht und ich traue der Regine nicht. Und widerstünd' es mir nicht, den Horcher und Späher im eigenen Hans zu machen, ich glaube, daß ich noch manches sänd' wie Bild und Splitter."

Saget das nicht, Frau Trud. Euren Vater, den alten Nathsherrn, kenn' ich von Beicht' und Abendmahl und Hab' ihn allezeit treu befunden. So das Unwesen aber im Mindeschen Hause umginge, was Gott in seiner Gnade verhüten wolle, so müßt' ich Euch verklagen, Frau Trud, Euch, zu der ich mich alles Besten versehen habe. Denn Ihr beherrschet das Hans. Euer Vater ist alt und Euer Eheherr ist ein Wachs in Eurer Hand, und Ihr wißt es wohl, aller Samen, der vorn Unkraut sällt und wuchert, ist ein Unheil und schädigt uns das Korn für unsre himmlischen Scheuren."

Sie hatten ihren Gang um das Rondel herum wieder ausgenommen, aus dessen kleinen dreieckigen Beeten die junge Frau jetzt einzelne Blumen pflückte. Beide schwiegen. Endlich sagte Trud:Ich beherrsche das Haus, sagt Ihr. Ja, ich beherrsch' es, und mau gehorcht mir; aber es ist ein todter Gehorsam, von den: das Herz nicht weiß. Das trotzt nur und geht seinen eigenen Weg."

Aber Grete ist ein Kind."

Ja und nein. Ihr werdet sie nun kennen lernen. Achtet auf ihr

Auge. Jetzt schläft es und dann springt cs aus. Es ist etwas Böses in ihr."

In uns allen, Frau Trud. Und nur zwei Dinge sind, es zu bändigen: der Glaube, den wir uns erbitten, und die Liebe, die wir uns erziehn.

Liebt Ihr das Kind?"

Und sie senkte den Blick.

6. Das Maienfest.

Ein Jahr beinah war vergangen und die Tangermünder feierten, wie herkömmlich, ihr Maienfest. Das geschah abwechselnd in dem einen oder

andern jener Waldstücke, die die Stadt in einem weiten Halbkreis umgaben. In diesem Jahr aber war es im Lorenz Wald, den die Bürger besonders liebten, weil sich eine Sage daran knüpfte, die Sage von der Jungfrau Lorenz. Mit dieser Sage aber verhielt es sich so. Jungfrau Lorenz,

ein Tangermünder Kind, hatte sich in dem großen, flußabwärts gelegenen