Heft 
(1879) 26
Seite
154
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Theodor Fontane in Berlin.

Das jüngste Gericht! Großes Spiel in drei Abtheilungen, so von uns gespielet worden vor Ihren christlichen Majestäten, dem römischen Kaiser und König, und dem Könige von Ungarn und Polen. Desgleichen vor allen Chursürsten und Fürsten deutscher Nation. Worüber wir Zeugnisse haben aller durchlauchtigster Satisfaktion. Das jüngste Gericht! Großes Spiel in drei Abtheilnngen, mit Christus und Maria, und dem Lohn aller Guten und der Verdammnis; aller Bösen. Dazu Beides, Engel und Teufel, und großes Feuerwerk, aber ohne Knall und Schießen und sonstige Fährlichkeit, um nicht , denen schönen Frauen, so wir zu sehen hoffen, irgendwie störend oder mißfällig zu sein."

Und nun wieder Paukenschlag und Trompetenstoß, und auf den Markt­platz zu nahm der Umritt seinen Fortgang, während der Puppenspieler im Tricot noch einmal zu dem Zernitz'schen Hause hinauf grüßte. Auch die dunkelfarbige Frau, die zwischen den beiden andern zu Pferde saß, verneigte sich. Sie schien groß und stattlich, und trug ein Diadem mit langem schwarzem Schleier, in den zahllose Goldsternchen eingenäht waren.

Gehst Tu heute?" fragte Emrentz.

Nein. Nicht heut und nicht morgen. Cs widersteht mir, Gott und Teufel als bloße Puppen zu sehen. Das jüngste Gericht ist kein Spiel, und ich begreif' unsre Rathmannen nicht, und am wenigsten unsren alten Peter Guntz, der doch sonst ein christlicher Mann ist. Heiden und Türken sind's. Sahst Tn die Frau? Und wie der lange schwarze Schleier ihr vom Kopse hing?"

Ich gehe doch," lachte Cmrentz

Damit trennten sich die Frauen, und Trnd, unzufrieden über das Gespräch und das Scheitern ihrer Pläne, kehrte noch übellauniger als sie gekommen in das Minde'sche Haus zurück.

z.Das jüngste Gericht" und was weiter geschah.

In jener Stille, wie sie dem Miude'schen Hauswesen eigen war, ver­ging der Tag; nur der Pfauhahn kreischte von seiner Stange, und aus dem Stallgebäude her hörte man das Stampfen eines Pferdes, eines schönen, flandrischen Thieres, das der alte Minde, bei Gelegenheit seiner zweiten Heirath, ans den Niederlanden mit heimgebracht hatte. Das war nun fünf­zehn Jahr; es war alt geworden wie sein Herr, aber hatte bessere Tage als dieser.

Grete hatte gebeten, das Puppenspiel im Rathhans besuchen zu dürfen, und es war ihr, allem Abmahnen Trud's unerachtet, von ihrem Vater dem alten Minde, gestattet worden, nachdem dieser in Erfahrung gebracht hatte, baß auch Emrentz und Baltin, und der alte Zernitz selbst, dem Spiele mit beiwohnen würden. Lange vor sieben Uhr hatte man Greten abgeholt, und in breiter Reihe, als ob sie zusammen gehörten, schritten jetzt alle gemeinschaftlich auf das Rathhaus zu. Die Freitreppe, die hinauf führte, war mit Neugierigen besetzt, auch mit solchen, die drinnen ihre Plätze