Heft 
(1879) 26
Seite
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Theodor Fontane in Berlin.

die sei noch besser. Am besten aber sei die Burg, da sei niemand nnd sei altes so schön und so still und der Blick so weit.

Grete war es zufrieden und sie sagten einander zu, das; sie, so lange die schönen Herbstestnge dauerten, sich allwöchentlich einmal oben auf der Burg treffen und miteinander plaudern wollten. Und als sie das beschlossen, hing ihm Grete die Kastanienkette um, die sie bis dahin getragen, und sagte ihm, er sei mm ihr dritter, der zu ihr Halter; und für sie fechten und sterben müsse. Und dabei lachten sie. Gleich danach aber trennten sie sich, und gingen auf verschiedenen Wegen,-aus daß niemand sie beisammen sähe, wieder in ihre Wohnung zurück.

9. Aus der Burg.

Sie hielten Wort, und eine Woche später, während welcher Grete mehr als seit lang unter Truds Launen und einem Rückfall in ihre frühere Strenge gelitten hatte, trafen sie sich Nachmittags ans dem Kirchhof und gingen durch Thor und Vorstadt erst bis an dieFreiheit" nnd dann aus einem ansteigenden Schlängelwege bis zur Burg selbst hinauf. Hier, aus dem großen Anßenhof, der zugleich als Wirthschaftshof diente, war ein buntes und bewegtes Leben: in; Taktschlag klang es von der Tenne her, die Scheunenthore standen offen, und die Mädchen, die beim Flachsbrechen waren, sangen über den Hof hin:

Es warm zwei Köuigskiuder,

Die hatten einander so lieb,

Sie konnten zusammen nicht kommen,

Das Wasser war viel zu tief.

Ach Mädchen könntest Du schwimmen,

Sv schwimme doch her zu mir . . ."

Es klang so traurig. Aber die Gesichter der Mädchen lachte»; dabei.

Hörst Du", sagte Baltindas gilt uns. Sieh nur die Hübsche mit den; Flachskopf. Sieht sie nicht aus, als könnte sie sich ihr Brauthemd von ihren; eignen Wollen spinnen?" Grete schwieg. Ihr war so weh. Endlich sagte sie:laß uns gehen, Baltin. Ich weiß nicht, was es ist. Aber das

fühl' ich, daß ich hier auch stehen und die Hände fleißig rühren und singe;; möchtst Sieh nur, wie die Spreu von der Tenne fliegt. Es ist alles so frei nnd lustig hier, und wem; ich hier mitstündß ich glaube, da verwehte manches, was mich quält und drückt."

Baltin suchte nach einen; Trosteswort, nnd sie schritten, als er sie wieder beruhigt, über einen wüsten Grasplatz, ans einen anfgemanerten und halb-

ausgetrockneten Graben zu, der den großen, äußeren Burghof von den; kleinen, inneren trennte. Eine schmale Zugbrücke führte hinüber und sie passivsten sie. Drinnen war alles still: der Epheu wuchs hoch an; Gemäuer aus nnd in der Mitte stand ein alter Nußbann;, dessen weites Geäst den halben Hosraun; über­dachte. Und um den ausgehöhlten Stamm her war eine Bank. Grete wollte sich setzen; Baltin übernahm ihre Hand nnd sagte:Nicht hier, Grete; es

ist zu stickig hier." Und damit gingen sie weiter, bis an den Fuß eines