l80 Theodor Fontane in Berlin. —
Und nun war dieses Mahl, unter freundlichem Beistand aller Dienerschaften des hohen Herrn, in kürzester Frist hergerichtet worden, und um die vierte Stunde bewegte sich der Zug der Geladenen, Männer und Frauen, die Lange Straße hinab, zur Burg hinaus. Die kleineren Bürgersrauen, die von der Festlichkeit ausgeschlossen waren, sahen ihnen neidisch und spöttisch nach, und nicht zum wenigsten, als Trud und Emrentz an ihnen vorüberzogen. Denn beide waren absonderlich reich und prächtig gekleidet, in Ketten und hohen Krausen, und Emrentz, aller Julihitze zum Trotz, hatte sich ihr mit Hermelinpelz besetztes Mäntelchen nicht versagen können. Trud's Kleid aber stand steif und feierlich um sie her und bewegte sich kaum, als sie, zur Rechten ihrer Muhme, die Straße hinunterschritt.
Und nun war Alles oben, das Mahl begann, und die gothischeu Fenster mit ihren kleinen, buntglasigen und vielhundertfältig in Blei gefaßten Scheibchen standen nach Fluß und Hof hin weit offen, und die Gäste, so lang es drin ein Schweigen gab, hörten von den Zweigen des draußenstehenden Nußbaums her das Jubiliren der Vögel. Aber nicht immer schwieg es drinnen, Trinkspruch reihte sich an Trinkspruch, und wenn dann von der großen Empore herab, die zu Häupten des Churfürsten aufragte, die Stadtpfeifer einfielen und die Paukenwirbel über den Fluß hin und bis weit hinaus in die Landschaft rollten, dann hielt der Fährmann sein Boot an und die Koppelpferde horchten aus und sahen verwundert nach der sonst so stilleil Burg hinüber.
^ 2 . Am wend enstein.
Um eben diese Zeit saß Grete daheim in der Hinterstube des ersten Stocks. Trud's letztes Wort an sie war gewesen: „Hüte das Kind." Und nun hütete sie's. Es lag in einer Wiege von Rosenholz, ein Schleiertuch über den: Köpfchen, und durch Thür und Fenster, die beide geöffnet waren, zog die Luft. Herabgelassene Vorhänge gaben Schatten, und nur ein paar Fliegen tanzten um den Thymianbusch, der an der Decke des Zimmers hing. Es regte sich nichts in dem weiten Hause.
Und doch war Jemand eingetreten: Baltin. Er hatte die Hausthür vorsichtig geöffnet, so daß die Glocke keinen Ton gegeben, und sah sich nun auf den: halb im Dämmer liegenden Flure neugierig um. Es war alles wie sonst: an dem vordersten Querbalken saßen die zwei Schwalbennester und in den Nischen standen die Schränke, erst die von Nußbaum, dann die von Kiehnenholz, bis dicht an die Hofthür hin. Die Hofthür selbst aber stand auf; ein breiter Lichtstreifen fiel ein und aus dem sonnenbeschienenen Hofe saßen die Tauben und spielten im Sand, oder schritten gurrend, und dabei stolz und zierlich ihre Köpfe drehend, an dem noch stolzeren Pfau vorüber. Und dahinter war das von Wein überwachsene Gitter, von dem aus die sechs Treppenstufen nieder- sührten, und durch die offenen Stellen des Laubes hindurch sah man die Malvenkronen und die Strauchspitzen des tiefer gelegenen Gartens. Alles märchenhaft