- Grete Minde. - k8s
und wie verwunschen, und leiser noch als er in das Haus eingetreten war, stieg er seht die Stiege hinaus, bis er an der Schwelle der Hinterstube hielt. Es schien, daß Grete schlief, und einen Augenblick war er in Zweifel, ob er bleiben oder wieder gehen solle. Aber zuletzt rief er ihren Namen und sie sah lächelnd auf. „Komm nur," sagte sie, „ich schlafe nicht. Ich hüte ja das Kind. Willst Du's sehen?"
„Nein," sagte er, „laß es. Sehen wir's an, so wecken wir's, und ist es wach, so schreit es. Und es soll nicht wach sein, und noch weniger soll es schreien, denn ich will Dich abholen. Alle Welt ist draußen auf der Burg, und Du bist hier allein, als wär'st Du die Magd im Haus oder die Kinder - muhme. Komm, es sieht uns Niemand. Wir gehen an den Gärten hin, und die Stadtmauer giebt uns Schatten. Und sind wir erst oben, da thun nur, als fänden wir uns. Sieh, ich bin so neugierig. Und Du bist es auch, nicht wahr? Er ist ja doch eigentlich unser Landesherr. Und am End' ist es ein Unrecht ihn nicht gesehen zu haben, wenn man ihn sehen kann. Ich glaube, wir müssen ihn sehen, Grete. Was meinst Du?"
Grete lachte. „Wie gut Du die Worte stellen kannst. Sonst heißt
es immer, Eva sei Schuld; aber heute nicht. Du bered'st mich, und ich
soll thun, was sie mir verboten."
,,Ach, wer?"
,,Nun, Du weißt es ja; Trrrd. Und da sitz' ich nun hier und gehorche. Und dann ist das Kleine ..."
,,Laß nur. Es schläft ja. Und Negine hütet es so gut wie Du. Komm, und eh' das Fest aus ist, sind wir wieder da. Und Du setzest Dich an Deinen alten Platz, und Niemand weiß es. Und die schlafenden Kinder haben ihren Engel."
„Nun gut, ich komm." Und dabei rief sie nach der Regine, die neben dem Küchenherde saß, und che noch der Pfau draußen aus dem Hofe gekreischt
und sein Rad geschlagen hatte, was er, wenn er Greten sah, immer zu thun
pflegte, waren sie schon an ihm vorbei und zur Gartenpforte hinaus, und gingen im Schatten der Stadtmauer, ganz wie Baltin es gewollt hatte, bis an das Wasserthor, und dann über die Tangerwiesen aus die Vorstadt zu. Niemand begegnete ihnen hier; alles war wie ausgestorben; und erst als sie die „Freiheit" passirt und den äußerere Burghof erreicht hatten, sahen sie, daß hier die kleinen Leute sammt ihrem Gesinde zu vielen Hunderten standen und den Raune bis an die Zugbrücke hin so völlig füllten, daß an ein Hineintommen in den inneren Burghof gar reicht zu denken war.
Und so schlug denn Baltin vor, wieder hügelabwärts zu steigen und drüben ans den Elbwiesen einen Spaziergang zu machen. Grete war es zufrieden und erst als sie den Fährmann angerufen und den Fluß gekreuzt hatten, wandten sie sich wieder, um nun unbehindert aus die goldig im Scheine der Spätnachmittags-Sonne daliegende Burg zurückzusehen, und in die von drüben her herüberklingenden Lebehochs miteinzustimmen.