Grete Minde.
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er, ich verstecke 'was in meinem Herzen und sei noch katholisch von der Mutter her."
„O, nicht doch, Gret'. Er hat Dich ja selber getauft. Und jeden Sonntag bist Du zur Kirch' und singst I)r. Lutheri Lieder, und singst sie, wie sie Gigas nicht singen kann. Ich hör' immer Deine feine kleine Stimme. Nein, nein, laß nur und ängst'ge Dich nicht. Er meint es gut. Und nun schlaf, und wenn Du von dem Puppenspiele träumst, so gieb Acht, mein Gretel, und träume von der Seite, wo die Engel stehn."
Und damit wollte sie nebenan in ihre Kammer gehen. Aber sie kehrte noch einmal um und sagte: „Und weißt Du, Grete, der Baltin ist doch ein
guter Jung'. Alle Zernitzens sind gut . . . Und von dem Baltin darfst Du auch träumen. Ich erlaub es Dir, ich, Deine alte Regine."
5. Grete bei Gigas.
Es war den andern Vormittag und von Sanct Stephan schlug es eben zehn, als Trud und Grete die Lange Straße hinauf gingen. Trotz früher Stunde brannte die Sonne schon, und Beide standen unwillkürlich still und athmeten auf, als sie den schattigen Lindengang erreicht hatten, der, an der niedrigen Kirchhofsmauer entlang, auf das Prediger-Haus zulief. Auch dieses Haus selber lag noch unter alten Linden versteckt, in denen jetzt viele Hunderte von Sperlingen zwitscherten. Eine alte Magd, als die Glocke das Zeichen gegeben, kam ihnen von Hof oder Küche her entgegen, und wies, ohne gegrüßt oder gefragt zu haben, nach links hin auf die Studirstube. Wußte sie doch, daß Frau Trud immer willkommen war.
Es war ein sehr geräumiges Zimmer, mit drei großen und hohen Fenstern, ohne Vorhänge, wahrscheinlich um das wenige Licht, das die Bäume zuließen, nicht noch mehr zu verkümmern. An den Wänden hin liefen hohe Regale mit hundert Bänden in braun und weißem Leder, während an einein vorspringenden Pfeiler, gerade der Thür gegenüber, ein halblebensgroßes Crncifix hing, das auf einen langen, eichenen Arbeitstisch herniedersah. Aus diesem Tische, zwischen ausgeschlagenen Büchern und zahlreichen Actenstößen, aber bis an die Crncifix-Wand zurückgeschoben, erhob sich ein zierliches, sünfstufiges Ebenholztreppchen, das, in beabsichtigtem oder zufälligem Gegensatz, oben einen Todtenkopf und unten um seinen Sockel her einen Kranz von rothen und weißen Rosen trug. Eigene Zucht. Zehn oder Zwölf, die das Zimmer mit ihrem Duste füllten.
Gigas, als er die Thür gehen hörte, wandte sich auf seinem Drehschemel und erhob sich, sobald er Trud erkannte. „Ich bitt' Euch Platz zu nehmen, Frau Minde." Dabei schob er ihr einen Stuhl zu, und fuhr in seiner Rede fort: „Das ist also Grete, von der ihr mir erzählt habt, Eure Schwieger und Euer Kind. Denn Ihr tragt es auf dem Herzen, und sein Wohl und Weh ist auch das Eure. Und das schätz' ich an Euch, Frau Minde. Denn der Teufel mit seinen Listen geht immer um, am meisten aber bei der Jugend, und von
Nord und Süd. IX, 26. 12