Heft 
(1879) 26
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Theodor Fontane in Berlin.

Auge;das hätte sie. Jede Mutter hat ihr Kind lieb, und Deine Mutter, . . . ach, ich mag es gar nicht denken. Ja, mein Gretelchen, da hätten wir andre Tage, Du und ich. Und der Vater auch. Er ist jetzt krank, und Trud ist hart mit ihm und glaubt es nicht. Aber ich weiß es, und weiß schon, was ihm fehlt: ein Herz fehlt ihm, und das ist es, was an ihm nagt und zehrt.

Ja, Deine Mutter fehlt ihm, Gret'. Er war nicht mehr jung, als er sie

von Brugg' her ins Haus bracht', aber er liebte sie fo, und das mußt' er auch, denn sie war wie ein Engel. Ja, fo war sie."

Und wie fah sie aus? Sage mir's."

Ach, Du weißt es ja. Wie Du. Nur hübscher, so hübsch Du bist.

Denn cs ist, als ob Du das blasse Bild von ihr wärst. Und so war es

gleich den ersten Tag, als Dein Vater Dich auf den Arm nahm und sagte: sieh' Gerdt, das ist Deine Schwester." Aber er wollte Dich nicht sehn. Und als ich ihm zuredete und sagte:sieh doch nur ihre schwarzen Augen; die hat sie von der Mutter," da lief er fort und sagte:von ihrer Mutter. Aber das ist nicht meine."

Und wie war denn seine Mutter? Hast Du sie noch gekannt?

O gewiß."

Und war sie schöner?"

Ach, was Du nur fragst, Gretel. Schöure als Deine Mutter? Schöuer war keine, 's war eine Stendal'sche, weiter nichts, und der alte Zernitz, der sie nicht leiden könnt', und immer über sie lachte, wiewohlcn sie mit seiner eignen Frau zum Verwechseln war, der sagte:Höre, Regine, sieht sie nicht aus wie der Stendal'sche Roland?" Und wahrhaftig, so sah sie auch aus, so steif und so lang und so feierlich. Und auch so schlohweiß, denn sie trug immer selbstgebleichtes Linnen! Und warum trug sie's? Weil sie geizig war; und es sollt' immer mehr und mehr werden. Denn sie war eines reichen Brauherrn Tochter, und alles Geld, das wir haben, das kommt von ihr."

Und hatte sie der Vater auch lieb?"

Ich Hab' ihm nicht in's Herz gesehen. Aber ich glaub's nicht recht.

Denn sieh, sie hatte keine Liebe, und wer keine Liebe hat, der find't auch

keine. Das ist so Lauf der Welt, und es war just so, wie's mit der Trud ist. Aber ein Unterschied ist doch. Denn unsre Trud, obwohlen sie mir das gebrannte Herzeleid anthut, ist doch hübsch und klug, und weiß was sie will, und paßt ins Haus, und hat eine vornehme Art. Das haben so die Gardelegenschen. Aber die Stendalsche, die hatt' es nicht und hat keinem was gegönnt, und paßte nicht ins Haus, und wäre nicht der Grabstein mit der langen Inschrift, es wüßte keiner mehr von ihr. Auch Gigas nicht. Und zu dem hielt sie sich doch und ging in die Beichte."

Und zu dem soll ich nun auch gehen, Regine; morgen schon. Trud

ist bei ihm gewesen, und das Spielen und Klettern soll nun ein End' haben,

und ich soll vernünftig werden, so sagen sie. Aber ich fürchte mich vor Gigas. Er sieht einen so durch und durch, und mir ist immer, als mein'