Grete Min de.
er sagte nur: „Nein, Grete, das macht es nicht; darin erkenn' ich noch die
Thorheit von den guten Werken. Lernen wir lieber einen andern Spruch. Denn sieh, unsre guten Werke sind nichts und bedeuten nichts, weil all unser Thuen sündig ist von Anfang an. Wir haben nichts als den Glauben, und nur Eines ist, das sühnet und Werth hat: der Gekreuzigte."
„Ja Herr . . . Ich weiß . . . Und ich Hab' einen Splitter von seinen! Kreuz." Und sie zog in freudiger Erregung eine Goldkapsel aus ihrem Mieder.
Gigas war einen Augenblick zurückgetreten und seine rothen Angen schienen röther geworden. Aber er sammelte sich auch diesmal rasch wieder und nahm die Kapsel und betrachtete sie. Sie hing an einem Kettchen. In das obere Kapselstück war eine Mutter Gottes in feinen Linien eingegraben, innerhalb aber lag ein rothes Seidenläppchen und in diesem der Splitter. Der Alte knipste das Deckelchen wieder zu und sagte dann ruhig: „Es ist Götzendienst, Grete."
„Ein Andenken, Herr! Ein Andenken von meiner Mutter. Und es ist alles, was ich von ihr Hab'. Ich habe sie nicht mehr gekannt, Ihr wißt es. Aber Regine hat mir das Kettchen nmgehängt, als ich meinen zehnten Geburtstag hatte. So hat sie's der Mutter versprechen müssen, und seitdem trag' ich es Tag und Nacht."
„Und ich will es Dir nicht nehmen, Grete, jetzt nicht. Aber ich denke, der Tag soll kommen, wo Du mir cs geben wirst. Tenn verstehe wohl: wir sollen sein Kreuz tragen, aber keinen Splitter von seinem Kreuz, und nicht aus unsrem Herzen soll es ruhen, sondern in ihm. Und nun laß
uns gute Freunde sein. Ich sehe, Tn hast einen offenen Sinn und bist
anders als ich dachte. Aber es geht noch um in Dir, und die Regine, mit der ich sprechen null, hat nicht gebührlich gesorgt, den alten Spuk mit seinen Ränken und Listen auszutreiben. Ich denke, Grete, wir wollen die Tenne rein fegen und die Spreu von dem Weizen sondern. Du hast das rechte Herz, aber noch nicht den rechten Glauben, und irrt der Glaube, so irrt auch das Herz. Uud nun geh, Grete. Und die Gnade Gottes sei mit Dir."
Sie wollte seine Hand küssen, aber er litt es nicht uud begleitete sie bis an die Stufen, die von der Diele her zu der Hausthür hinaufführten. Hier erst wandt' er sich wieder, und ging über Flur und Hof auf den
Garten zu, wo Trud, inmitten eines Buchsbaumganges, in stattlicher Haltung auf und nieder schritt. Beide begrüßten einander, und die Magd, die von ihrem Küchcnfenster aus sehen konnte, wie der Alte sich aufrichtete und grader ging als gewöhnlich, verzog ihr Gesicht und murmelte vor sich hin: „Nicht
zu glauben!. . Und ist so alt und so fromm!" Und dabei kicherte sie und ließ an ihrem Lachen erkennen, daß sie den Gedanken in ihrer Seele weiter spann.
Trud und Gigas waren inzwischen den Garten hinaufgegangen und hielten vor einem runden Beet, das mit Rittersporn und gelben Studentenblumen dicht besetzt war. „Ich kann Euch nicht folgen, Frau Trud, in dem,
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