Die Eselin.
von
Daul Geuse.
— München. —
s war wenige Jahre nach dem französischen Kriege. Die Herbstmanöver hatten eine Anzahl junger Offiziere, die in der Loire- Armee sich ihre eisernen Kreuze verdient, zufällig wieder zusammengeführt, und Kameraden aus andern Regimentern sich dazu gefunden, um im Gasthof bei einer unerschöpflichen Bowle das Wiedersehen zu feiern. Mitternacht war vorüber. Das Gespräch, das sich lange um persönliche Schicksale und Erinnerungen gedreht, hatte eine nachdenkliche, in die Tiefe führende Wendung genommen. Man konnte unmöglich so Viele sehen, die nicht da waren, ohne an die alten ewigen Räthselsragen des Menschenlebens zu streifen. Zumal der grausame Tod eines von Allen gleich sehr geliebten und bewunderten jungen Helden, der den Franctireurs in die Hände gefallen und auf die schauderhafteste Weise umgekommen war, mit ihm ein Schatz von glänzenden Gaben und Talenten, Hoffnungen und Verheißungen, — hatte das alte Problem wieder ausis Tapet gebracht, ob die Weltgeschicke und die Loose der Einzelnen im Sinne unserer menschlichen Gerechtigkeit gelenkt würden, oder ob Wohl und Wehe des Individuums sich den großen, verhüllten Zielen der Weltregierung ohne Murren unterzuordnen habe. Die sämmtlichen bekannten Gründe für und wider eine nach menschlichen Begriffen sittlich waltende und gerecht ausgleichende Vorsehung waren nach und nach discutirt worden, und aus dem lebhaften Hin-und-herwogen des Streites hatte endlich der älteste und geschulteste Denker unter den jungen Kriegern das Ergebniß formulirt, daß selbst ein gläubigster Optimist angesichts der schreienden Unbilden, denen die arme Menschheit ausgesetzt sei, eine auf Erden ausgleichende Gerechtigkeit nicht Nachweisen, vielmehr nur durch die Vertröstung auf eiu Jenseits sich das Vertrauen auf eine gütige Gottheit retten könne.
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