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Paul Heyse in München.
„Aber kommen denn auch die Esel in den Himmel?" hörte man plötzlich aus einer Ecke, in der es bisher ziemlich still gewesen war, eine ruhige, klangvolle Stimme fragen.
Einen Augenblick schwieg Alles. Dann folgte ein Helles Lachen, das den Meisten, die des Philosophirens schon seit einer Weile müde waren, sehr erwünscht das Herz zu befreien schien.
„Hört! hört!" riefen Einige.
„Am jüngsten Tage wird man sein eigenes Wort nicht verstehen, wenn alle auserstandenen Esel durcheinander schreien!" sagte ein munterer, junger Hauptmann. „Uebrigens, Eugen, wenn das Schwein des heiligen Antonius in den Himmel gekommen ist —
„Und so viel fromme Schafe!" fiel ein Anderer ein.
„Ihr vergeßt, daß die Frage längst entschieden ist", sagte ein Dritter. „Man lese nur Voltaires Pucelle im so und so vielten Gesänge".
„Hast du nur einen Witz machen wollen, Eugen", fragte jetzt der Alterspräsident, der nicht mitgelacht hatte, „oder war die Frage ernstlich gemeint, weil es ja immerhin noch nicht ausgemacht ist, ob nicht auch den Thieren eine entwicklungsfähige Seele innewohnt?"
Der so Angeredete war ein junger Mann von etwa dreißig Jahren, der allein von allen Kameraden in Civilkleidung bei dem Gelage saß. Eine schwere Verwundung hatte ihn genöthigt, die militärische Carriere aufzugeben.' Er lebte seitdem auf einem kleinen Gut, mehr mit theoretischen Studien der Kriegswiffenschaft, als mit der Bewirthschastung seiner Felder beschäftigt, und war bei Gelegenheit der Manöver in die Stadt gekommen, um seine alten Freunde zu begrüßen.
„Die Frage", sagte er jetzt ganz ernsthaft, „rührt eigentlich nicht von mir her, sondern ist ein Citat, dessen brüske Naivetät mich selbst vor nicht sehr langer Zeit in Verlegenheit gesetzt hat. Es hängt eine wunderliche kleine Geschichte daran, nicht gerade lustig. Da wir uns aber doch einmal zu Speculationen verstiegen haben, bei denen einem der Spaß vergeht, wird es vielleicht am Platze sein, wenn ich erzähle, wo jenes Citat herstammt. Daß die Geschichte geeignet sei, etwas mehr Licht in das dunkle Problem zu bringen, kann ich freilich nicht behaupten.
„Erzähle nur!" rief einer der Andern. „Wer weiß, ob der Esel, den du uns vorreiten willst, nicht doch am Ende wie Bileams prophetisches Granthier den Mund aufthut und uns über die sittliche Weltordnung belehrt".
Eugen schüttelte mit einem seltsamen Lächeln den Kopf und begann.
Ihr wißt, daß ich den ganzen Winter von 71 auf 72 an meiner Wunde zu laboriren hatte, bis ich nur wieder am Stock herumhinken konnte. Wie dann der Frühling kam, gab ich mich meiner verheiratheten Schwester in die Pflege. Das Rittergut meines Schwagers, das an der böhmisch- sächsischen Grenze liegt, ist von endlosen Nadelholzwaldungen umgeben, in denen