Heft 
(1880) 40
Seite
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56 - Theodor Fontane in Berlin. -

Elimar in die Luft werfen und wieder fangen. Denn er war auch Turner und Akrobat. Und selbst Melanie lachte mit und schien sich des Glücks der andern zu freuen oder es gar zu theilen. Wer aber schärfer zugesehen hätte, der hätte wohl wahrgenommen, daß sie sich bezwang, und mitunter war es als habe sie geweint. Etwas unendlich Weiches und Wehmüthiges lag in dem Ausdruck ihrer Augen, und der Polizeirath sagte zu Duquede:Sehen Sie, Freund, ist sie nicht schöner denn je?"

Blaß und angegriffen", sagte dieser.Es giebt Leute, die blaß und angegriffen immer schön finden. Ich nicht. Sie wird überhaupt überschätzt, in allem, und am meisten in ihrer Schönheit".

An den Aufbau schloß sich wie gewöhnlich ein Souper und man endete mit einem schwedischen Punsch. Alles war heiter und guter Dinge. Melanie belebte sich wieder, gewann auch wieder frischere Farben, und als sie Niekchen und Anastasia, die bis zuletzt geblieben waren, bis an die Treppe geleitete, rief sie dem kleinen Fräulein mit ihrer freundlichen und herz­gewinnenden Stimme nach:Und sieh Dich vor, Riekchen. Christel sagt mir eben, es glatteist". Und dabei bückte sie sich über das Gelander und grüßte mit der Hand.

O, ich falle nicht", rief die Kleine zurück.Kleine Leute fallen über­haupt nicht. Und am wenigstenwenn sie vorn und hinten gut balaneireu".

Aber Melanie hörte nichts mehr von dem, was Niekchen sagte. Der Blick über das Geländer fort, hatte sie schwindlig gemacht, und sie wäre gefallen, wenn sie Van der Straaten nicht ausgefangen und in ihr Zimmer zurück getragen hätte. Er wollte klingeln und nach dem Arzte schicken. Aber sie bat ihn, es zu lassen. Es sei nichts, oder doch nichts Ernstes, oder doch nichts wobei der Arzt ihr helfen könne.

Und dann sagte sie was es sei.

XIV. Entschluß.

Erst den dritten Tag danach hatte sich Melanie hinreichend erholt, um in der Alsenstraße, wo sie seit Wochen nicht gewesen war, einen Besuch machen zu können. Vorher aber wollte sie bei der Madame Guichard, einer vor Kurzem erst etablirten Französin vorsprechen, deren Confections und künstliche Blumen ihr durch Anastasia gerühmt worden waren. Van der Straaten rieth ihr, weil sie noch angegriffen sei, lieber den Wagen zu nehmen, aber Melanie bestand darauf alles zu Fuß abmachen zu wollen. Und so kleidete sic sich in ihr diesjähriges Weihnachtsgeschenk, einen Nerz-Pelz und ein Castorhütchen mit Straußenfeder, und war eben auf dem letzten Treppenabsatz, als ihr Rubehn begegnete, der inzwischen von ihrem Unwohlsein gehört hatte und nun kam, um nach ihrem Befinden zu fragen.

Ah, wie gut, daß Sie kommen", sagte Melanienun Hab' ich Begleitung auf meinem Gange. Van der Straaten wollte mir seinen Wagen