L'Adultera.
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küste hin, bis sich plötzlich herausstellte, daß man nur noch zehn Meilen von Venedig entfernt sei. Und siehe, da kam ihr ein tiefes und sehnsüchtiges Verlangen, ihrer Stunde dort warten zu wollen. Und sie war plötzlich wie verändert und lachte wieder und sagte: „Della Salute! Weißt Du
noch? ... Es heimelt mich an, es erquickt mich: das Wohl, das Heil! O, komm. Dahin wollen wir".
Und sie gingen, und dort war es, wo die bange Stunde kam. Und einen Tag lang wußte der Zeiger nicht, wohin er sich zu stellen habe, ob auf Leben oder Tod. Als aber am Abend, von über dem Wasser her, ein wunderbares Läuten begann, und die todtmatte Frau auf ihre Frage „von wo" die Antwort empfing „von Della Salute", da richtete sie sich auf und sagte: „Nun weiß ich, daß ich leben werde".
XVIII. wieder daheim.
Und ihre Hoffnung hatte sie nicht getrogen. Sie genas und erst als die Herbsttage kamen, und das Gedeihen des Kindes und vor allem auch ihr eigenes Wohlbefinden einen Aufbruch gestattete, verließen sie die Stadt, an die sie sich durch ernste und heitere Stunden aufs innigste gekettet fühlten und gingen in die Schweiz, um in dem lieblichsten der Thäler, in dem Thale „zwischen den Seen" eine neue vorläufige Rast zu suchen.
Und sie lebten hier glücklich-stille Wochen, und erst als ein scharfer Nordwest vom Thuner See nach dem Brienzer hinüber fuhr, und den Tag darauf der Schnee so dicht fiel, daß nicht nur die „Jungfrau" sondern auch jede kleinste Kuppe verschneit und vereist ins Thal hernieder sah, sagte Melanie: „Nun ist es Zeit. Es kleidet nicht jedem Menschen das Alter und nicht jeder Landschaft der Schnee. Der Winter ist in diesem Thale nicht zu Haus oder paßt wenigstens nicht recht hierher. Und ich möchte mm wieder da hin, wo man sich mit ihm eingelebt hat und ihn versteht".
„Ich glaube gar", lachte Rubehn „Du sehnst Dich nach der Rousseau- Insel!"
„Ja" sagte sie. „Und nach viel anderem noch. Sieh, in drei Stunden könnt ich von hier aus in Genf sein und das Haus Wiedersehen, darin ich geboren wurde. Aber ich habe keine Sehnsucht danach. Es zieht mich nach dem Norden hin und ich empfind' ihn mehr und mehr als meine Herzens- heimath. Und was auch dazwischen liegt, er muß es bleiben".
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Und an einem milden Decembertage waren Rubehn und Melanie wieder in der Hauptstadt eingetroffen und mit ihnen die Vreni oder „das Vrenel", eine derbe schweizerische Magd, die sie, während ihres Aufenthalts in Jnterlaken, zur Abwartuug des Kindes angenommen hatten. Eine vorzügliche Wahl. Am Bahnhoff aber waren sie von Rubehns jüngerem Bruder empfangen und in ihre Wohnung eingeführt worden: eine reizende