Issue 
(1880) 40
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Ein erstickender Osendnnst schlug mir entgegen, gemischt mit dem Geruch üon frischer Wäsche, die an einem quer durch das Zimmer gespannten Seil auf­gehängt war. Ich sah gleich, daß es nur ein paar armselige Windeln und Kinderhemdchen waren, von gröbster Leinwand und viel geflickt. In der einen Ecke stand ein großer Webstuhl, mit dichtem Staub überzogen. In der anderen, auf einer Strohschütte, die nur durch eine wollene Decke vom Lager eines Thieres sich unterschied, saß ein blondes junges Weib, das einen halbnackten Säugling an der Brust hielt. Sie selbst trug nichts am Leibe, als das Hemd, das von der einen Schulter tief hernntergesallen war, und einen rothwollenen Rock, der ihre weißen Füße bis an die Knöchel frei ließ.

Als ich eintrat, musterte sie mich mit einem forschenden Blick und hörte einen Augenblick zu singen auf. Sie schien statt meiner Jemand anders erwartet zu haben; aber sobald sie sah, daß ich ihr ganz fremd war, fuhr sie, nur ein wenig leiser, in ihrem Eiapopeia fort und schien nicht das Geringste dabei zu finden, daß ich sie in ihren intimsten Mutterpslichten und einem so unvollkommenen Anzug überraschte.

Ich sah nur, während sie mit dem großen Munde und den blanken Zähnen mich anlachte und immer fortsang, wie sie das Kind fester an ihre offene Brust drückte und mit der anderen Hand sich bemühte, das Hemd wieder über die Schulter zu ziehen. Dabei färbte ein leichtes Roth ihr volles, weißes Gesicht, und die sehr blauen Augen bekamen einen halb flehenden, halb wieder blöde und gedankenlos vor sich hin träumenden Ausdruck.

Ich entschuldigte mich, daß ich sie störte, die Mutter habe mir erlaubt einzutreten, ich wolle gleich wieder gehen, wenn es ihr lieber sei. Sie summte ihre Melodie fort, ohne von mir Notiz zu nehmen, nur von Zeit zu Zeit schlug sie die Augen rasch zu mir auf, als ob sie sehen wolle, ob ich immer noch da sei, dann biß sie sich auf die volle rothe Unterlippe, schwenkte den Säugling hin und her und schlug mit den bloßen Füßen im Stroh den Takt zu ihrem Liede.

Darüber hatte sich das Kind, das nur ein paar Monate alt sein konnte, in Schlaf getrunken und geweint. Immer leiser wurde das Wiegenlied, und zuletzt richtete die junge Mutter sich auf ihren Knieen auf und hüllte die Kleine, die wie ein rosiges Wachspüppchen vor ihr lag, in einen großen

wollenen Shawl, der offenbar bessere Tage gesehen hatte. Im Winkel neben

ihrem Kopfkissen sah ich ein kleines Lager von alten Lappen und Lumpen

zurechtgemacht, dahin wurde das Püppchen sacht und sorgsam gelegt und

trotz der Hitze noch zugedeckt, worauf die Mutter, immer wie wenn sie ganz allein in: Zimmer wäre, anfing, ihr wirres, gelbes Haar vollends aufzulösen und neu zu flechten. Ihre übrige Toilette schien ihr soignirt genug Zu sein.

Auch hätte freilich kein elegantes Costüm den reizenden Wuchs des armen jungen Weibes vorteilhafter an's Licht bringen können. Das Gesicht war dem der Alten zu ähnlich, um für hübsch gelten zu können. Aber in