Heft 
(1880) 40
Seite
48
Einzelbild herunterladen

^8

Theodor Fontane in Berlin.

zückend zugleich". Und als der kleine Wildfang in eben diesem Augenblicke wieder heranrollte, commandirte sie selbst:Rechts um. Und nicht zu nah an die Spree! Sehen Sie nur, wie sie hinfliegt. So lange die Welt steht, hat keine Reiterei mit so fliegenden Fahnen angegriffen".

Unter solchem Gespräch waren sie bis an die Stelle gekommen, wo, von der Parkseite her, ein breiter avenueartiger Weg in den langen und schmalen Spaliergang einmündete. Hier, im Centrum der ganzen Anlage, erhoben sich denn auch, nach dem Vorbilde der berühmten englischen Gärten in Kew, ein paar hohe, glasgekuppelte Palmenhäuser, an deren eines sich ein altmodisches Treibhaus anlehnte, das, früher der Herrschaft zugehörig, inzwischen mit all seinen Blattpflanzen und Topfgewächsen in die Hände des alten Gärtners übergegangen und die Grundlage zum Betrieb eines sehr einträglichen Privat-Geschästes geworden war. Unmittelbar neben dem Treibhause hatte der Gärtner seine Wohnung, ein nur zweifenstriges und ganz von Epheu überwachsenes Häuschen, über das ein alter, schräg- stehender Akazienbaum seine Zweige breitete. Zwei, drei Steinstnfen führten bis in den Flur und neben diesen Stufen stand eine Bank, deren Rücklehne von dem Epheu mit überwachsen war.

Setzen wir uns", sagte Melanie.Immer vorausgesetzt, daß wir dürfen. Denn unser alter Freund hier ist nicht immer guter Laune. Nicht wahr, Kagelmann?"

Diese Worte hatten sich an einen kleinen und ziemlich häßlichen Mann gerichtet, der, wiewohl kahlköpfig (was übrigens die Sommermütze verdeckte) nichtsdestoweniger an beiden Schläfen ein paar lange glatte Haarsträhnen hatte, die bis tief auf die Schulter niederhingen. Alles an ihm war außer Verhältniß, und so kam es, daß, seiner Kleinheit unerachtet, oder vielleicht auch um dieser willen, alles zu groß an ihm erschien: die Nase, die Ohren, die Hände. Und eigentlich auch die Augen. Aber diese sah man nur, wenn er, was öfters geschah, die ganz verblakte Hornbrille abnahm. Er war eine typische Gärtnersigur: unfreundlich, grob und habsüchtig, vor allem auch seinem Wohlthäter, dem Commerzienrath gegenüber, und nur wenn er die Frau Räthin" sah, erwies er sich auffallend verbindlich und guter Laune.

So nahm er denn auch heute das scherzhaft hingeworfenewenn wir dürfen" in Lester Stimmung aus und sagte, während er mit der Rechten (in der er einen kleinen Aurikeltops hielt) seine großschirmige Mütze nach hinten schob:Jott, Frau Räthin, ob Sie dürfen! Solche Frau! Solche Frau wie Sie darf allens. Un warum? Weil Ihnen allens kleid't. Un tuen alles kleidt, der darf ooch alles. Uf's kleiden kommt's an. S^ giebt welche, die sagen, die Blumen machen dumm und fimplig. Aber daß es uff's

Kleiden ankommt, so viel lernt man bei de Blumens".

Immer mein galanter Kagelmann" lachte Melanie.Man merkt doch den Unverheiratheten, den Junggesellen. Und doch ist es Unrecht, Kagelmann, daß Sie so geblieben sind. Ich meine, so ledig. Ein Mann wie Sie, so