Heft 
(1880) 40
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Theodor Fontane in Berlin.

gar nicht dran, ihn zu lieben. Und es war eigentlich blos zum Lachen. Und so ging es weiter und sie lachte wirklich. Un ich sag Ihnen, da wurd'

er wie'n Ohrwurm und sagte blos:sie sollte sich's doch überlegen". Un so kam es denn auch, un es war woll schon Ende Mai . . . Un da war ja nu der Vernezobre'sche Doktor, so'n richtiger, der alles ganz genau wußte, der sagtesie müßte nachs Bad", wovon ich aber den Namen immer ver­gesse, weil da der Wellenschlag am stärksten ist. Un das war ja nn damals, als sie jrade die große Hängebrücke bauten, un die Leute sagten, er könnt es alles am besten ausrechnen. Un was unser Commerzienrath war, der kam immer blos Sonnabends. Un die Woche hatten sie frei. Un als Ende August war, oder so, da kam sie wieder und war ganz frisch un munter un hatte orntlich rothe Backen, un eajolirte ihn. Und von ihm war gar keine Rede mehr".

Melanie hatte, während Christel sprach, ein paar Holzscheite aus die Kohlen geworfen, so daß es wieder prasselte, und sagte:Du meinst es gut. Aber so geht es nicht. Ich bin doch anders. Und wenn ich's nicht bin, so bild' ich es mir wenigstens ein".

Jott" sagte Christel,en bischen anders is es immer. Un sie war auch blos von Nen-Cölln an's Wasser, un die Singuhr immer jrade gegenüber. Aber die war nich Schuld mitUeb' immer Treu und Redlichkeit".

Ach meine gute Christel, Treu und Redlichkeit! Danach drängt es jeden, jeden, der nicht ganz schlecht ist. Aber weißt Du, man kann auch treu sein wenn man untreu ist. Treuer als in der Treue".

Jott, liebe Jnädigste, sagen Se doch so was nich. Ich versteh es eigentlich nich. Un das muß ich Ihnen sagen, wenn einer so was sagt un ich versteh es nicht, denn is es immer schlimm. Un Sie sagen, Sie sind anders. Ja, das is schon richtig, un wenn es auch nich janz richtig is, so is es doch halb richtig. Un was die Hauptsache is, das is, ineine liebe Jnädigste, die hat eijentlich das liebe kleine Herz auf'n rechten Fleck, un is immer für Helsen und geben, un immer für die armen Leute. Un was die Vernezobern war, na, die Putzte sich blos, un war immer vor'n Steh­spiegel, der alles noch hübscher machte, und sah aus wie's Modejournal und war eijentlich dumm. Wie'n Haubenstock, sagten die Leute. Un war auch nich so was Vornehmes, wie meine liebe Jnädigste, un blos aus 'ne Färberei, türkischroth. Un nachher war es ein Blaufärber. Aber das muß ich Ihnen sagen, Ihrer is doch auch anders als der Vernezobern Ihrer war, un hat sich gar nich, un red't immer frei weg, nn kann keinen was abschlagen. Un zu Weihnachten immer alles doppelt".

Melanie nickte.

Nu, sehen Sie, meine liebe Jnädigste, das is hübsch, daß Sie mir Zunicken, un wenn Sie mir immer wieder zunicken, dann kann es auch alles noch wieder werden un wir packen alles wieder aus, un Sie legen sich in's Bett un schlafen bis an'n Hellen lichten Tag. Un Klocker zwölfe bring ich