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Theodor Fontane in Berlin.
wie Du sagst, so wären wir geborene Hazardeurs und Va Lanque spielen unsere eigentlichste Natur. Und natürlich auch die meinige".
Er hörte sie gern in dieser Weise sprechen, es klang ihm wie aus guter, alter Zeit her, und er sagte, während er den Fauteuil vertraulich näher drückte: „Laß uns nicht spießbürgerlich sein, Lanni. Sie sagen, ich wär ein Bourgeois, und es mag sein. Aber ein Spießbürger bin ich nicht. Und wenn ich die Dinge des Lebens nicht sehr groß und nicht sehr ideal nehme, so nehm' ich sie doch auch nicht klein und eng. Ich bitte Dich, übereile nichts. Meine Course stehen seht niedrig, aber sie werden wieder steigen. Ich bin nicht Geck genug, mir einznbilden, daß Du schönes und liebenswürdiges Geschöpf, verwöhnt und ausgezeichnet von den Klügsten und Besten, daß Du mich aus purer Neigung oder gar aus Liebes sch Wärmerei genommen hättest. Du hast mich genommen, weil Du noch jung warst und noch keinen liebtest, und in Deinem witzigen und gesunden Sinn Ansehen mochtest, daß die jungen Attaches auch keine Helden und Halbgötter waren. Und weil die Firma Van der Straaten einen guten Klang hatte. Also nichts von Liebe. Aber Du hast auch nichts gegen mich gehabt und hast mich nicht ganz alltäglich gefunden und hast mit mir geplaudert und gelacht und gescherzt, Und dann hatten wir die Kinder, die doch schließlich reizende Kinder sind, zugestanden Dein Verdienst, und Du hast snün an die zehn Jahr in der Vorstellung und Erfahrung gelebt, daß es nicht zu den schlimmsten Dingen zählt, eine junge, bequem gebettete Frau zu sein und der Augapfel ihres Mannes, eine junge, verwöhnte Frau, die thun und lassen kann was sie will und als Gegenleistung nichts andres einzusetzen braucht, als ein freundliches Gesicht, wenn es ihr grade paßt. Und sieh, Melanie, weiter will ich auch jetzt nichts, oder sag ich lieber, will ich auch in Zukunft nicht. Denn in diesem Augenblick erscheint Dir auch das Wenige, was ich fordere, noch als zu viel. Aber es wird wieder anders, muß wieder anders werden. Und ich wiederhole Dir, ein Minimum ist mir genug. Ich will keine Leidenschaft. Ich will nicht, daß Du mich ansehen sollst, als ob ich Leone Leoni wär' oder irgend ein anderer großer Romanheld, dem zu Liebe die Weiber Giftbecher trinken wie Mandelmilch und lächelnd sterben, blos um ihn noch einmal lächeln zu sehen. Ich bin nicht Leone Leoni, bin blos deutsch und von holländischer Abstraktion, wodurch das Deutsche nicht besser wird, und habe die mir abstammlich zukommenden hohen Backenknochen. Ich bewege mich micht in Illusionen, am wenigsten über meinen äußeren Menschen, und ich verlange keine Liebes-Großthaten von Dir. Auch nicht einmal Entsagungen. -Entsagungen machen sich zuletzt von selbst, und das sind die besten. Die '-besten, weil es die freiwilligen und eben deshalb auch die dauerhaften und zuverlässigen sind. Uebereile nichts. Es wird sich alles wieder zurechtrücken".
Er war aufgestanden und hatte die Lehne des Fauteuils genommen, auf der er sich jetzt hin und her wiegte. „Und nun noch eins, Lanni", fuhr er fort, „ich bin nicht der Mann der Rücksichtsnahmen und Haffe diese lang-