Heft 
(1880) 40
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Theodor Fontane in Berlin.

Meine liebe Jacobine. Heute war ein rechter Festestag und was mehr ist, auch ein glücklicher Tag, und ich möchte meinem Danke so gern einen Aus­druck geben. Und da schreib' ich denn. Und an wen lieber, als an Dich, Du mein geliebtes Schwesterherz. Oder willst Du das Wort nicht mehr hören? Oder darfst Du nicht?

Ich schreibe Dir diese Zeilen in der Via Catena, einer kleinen Quer­straße, die nach dem Tiber führt, und wenn ich die Straße hinuntersehe, so blinken mir, vom andern Ufer her, ein paar Lichter entgegen. Und diese Lichter kommen von der Farnesina, der berühmten Villa, drin Amor und Psyche so zu sagen ans allen Fensterkappen sehen. Aber ich sollte nicht so scherzhaft über derlei Dinge sprechen, und ich könnt' es auch nicht, wenn wir heute nicht in der Kapelle gewesen wären. Endlich, endlich! Und weißt Du wer mit unter den Zeugen war? Unser Hauptmann von Brausewetter, Dein alter Tänzer von Dachrödens her. Und lieb und gut und ohne Hoffarth. Und wenn man in der Acht ist, die noch schlimmer ist als das nglück, so hat man ein Auge dafür, und das Bild, Du weißt schon, über das ich damals so viel gespottet und gescherzt habe, es will mir nicht mehr aus dem Sinn. Immer dasselbeSteinige, steinige". Und die Stimme schweigt, die vor den Pharisäern das himmlische Wort sprach.

Aber nichts mehr davon, ich plaudre lieber.

Wir reisten in kleinen Tagereisen und ich war anfänglich abgespannt und freudlos, und wenn ich eine Freude zeigte, fo war es nur um Rubens willen. Denn er that mir so leid. Eine weinerliche Frau! Ach, das ist das schlimmste, was es giebt. Und nun gar erst auf Reisen. Und so ging es eine ganze Woche lang, bis wir in die Berge kamen. Da wnrd' es besser, und als wir neben dem schäumenden Inn hinfnhren und an demselben Nachmittage noch in Innsbruck ein wundervolles Quartier fanden, da fiel es von mir ab

und ich konnte wieder aufathmen. Und als Rüben sah, daß mir Alles fo

wohlthat und mich erquickte, da blieb er noch den folgenden Tag und besuchte mit mir alle Kirchen und Schlösser und zuletzt auch die Kirche, wo

Kaiser Max begraben liegt. Es ist derselbe von der Martinswand

her, und derselbe auch, der zu Luthers Zeiten lebte. Freilich schon als ein

sehr alter Herr. Und es ist auch der, den Anastasius Grün alsLetzten

Ritter" gefeiert hat, worin er vielleicht etwas zu weit gegangen ist.

> Ich glaube nämlich nicht, daß er der letzte Ritter war. Er war über­

haupt zu stark und zu corpulent für einen Ritter, und ohne Dir schmeicheln zu wollen, find' ich, daß Gryczinski ritterlicher ist. Sonderbarerweise fühl' ich mich überhaupt eingepreußter als ich dachte, so daß mir auch das Bildniß Andreas Hofers wenig gefallen hat. Er trägt einen

Tyroler Spruch-Gürtel um den Leib und wurde zu Mantua, wie Du vielleicht gehört haben wirst, erschossen. Manche tadeln es, daß er sich

geängstigt haben soll. Ich für mein Theil habe nie begreifen können, wie man es tadeln will, nicht gern erschossen zu werden.