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Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern für die Grundschule : Erfahrungen - Ergebnisse - Probleme / [Universität Potsdam. Hrsg.: Direktorium des Instituts für Grundschulpädagogik]. Tassilo Knauf ...
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ist, daß sich die Lehrerinnen in der Grundschule stärker vom Leistungsverhalten und ­vermögen ihrer Schüler und Lehrer beeinflussen ließen, als vom Geschlecht. Eine leicht höhere Quote der Häufigkeit lobenden und bestätigenden Verhaltens konnte dagegen ın dieser Studie gegenüber den Mädchen(51,22%: 48,78%) festgestellt werden. Das Ergebnis weicht vom Trend ähnlich angelegter Untersuchungen insofern ab, als dort auch das lobend-bestätigende Verhalten häufiger auf die Jungen gerichtet war. Das könnte dahingehend interpretiert werden, daß das Klischee von der höheren Wertigkeit des Männlichen und die Unterschätzung der Leistungen und Fähigkeiten der Mädchen hier nicht mehr in dem Maße zum Tragen kommt, wie in den(west)deutschen und US­amerikanischen Untersuchungen. Die höchste Aufmerksamkeit der Lehrenden binden die Jungen durch ihr Sozialverhalten. Beim Ermahnen, Tadeln, Beschimpfen und Drohen waren die Jungen signifikant häufiger(27,88%: 72,12%) Gegenstand der Aufmerksamkeit der Lehrerinnen und Lehrer.

Patriarchatskritische Interventionen im Lehramtsstudium

Über vier Jahre hinweg(1990-1994) wurden im Rahmen des Studienreformprojekts PIL am Fachbereich Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften der Technischen Universität Berlin Möglichkeiten entwickelt und erprobt, wie die Geschlechter­thematik in die universitäre Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern eingebracht werden kann.

Folgende Ziele standen im Mittelpunkt:

e bei Studierenden wie Lehrenden ein Bewußtsein darüber herzustellen, daß sich der e(Schul-) Alltag für Mädchen und Jungen wie auch für Lehrerinnen und Lehrer

e jeweils geschlechtsspezifisch unterschiedlich gestaltet;

e dazu beizutragen, daß Strukturen, Materialien und Verhaltensweisen, die das gesellschaftliche Macht- und Gewaltverhältnis zwischen den Geschlechtern in der Schule reproduzieren, erkannt und bearbeitet werden;

e gemeinsam mit Studierenden gesellschaftliche Normierungen(z.B. die gesellschaftliche Norm Heterosexualität) zu hinterfragen sowie eine Vielzahl von Lebensgestaltungsmöglichkeiten in ihrer Unterschiedlichkeit gleichberechtigt kennen, achten und vermitteln zu lernen;

e Ansätze vorzustellen und zu entwickeln, die das Geschlechterverhältnis in der Schule thematisieren und Veränderungen anstreben;

e Projekte und handlungsorientierte Lehr- und Lernformen in das Studium zu integrieren sowie einen verstärkten Theorie-Praxis-Bezug herzustellen.

Bei Konzeption, Durchführung und Auswertung der Reformmaßnahmen stellte sich immer wieder die Frage des erkenntnistheoretischen Zugangs(vgl. Hartmann 1995). Die geschlechtsdifferente Betrachtungsweise im Lehramtsstudium ist die Überwindung der vorgeblich geschlechtsneutralen Diskurse über"Schüler" und "Lehrer" hin zur bewußten Wahrnehmung von Mädchen und Jungen, Frauen und

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