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Das Fontane-Buch : Beiträge zu seiner Charakteristik ; Unveröffentlichtes aus seinem Nachlaß ; das Tagebuch aus seinen letzten Lebensjahren / hrsg. von Ernst Heilborn
Entstehung
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Baumallee bei beständigem Wechsel derselben Lichter an- mutet, das ihre dazu beigetragen haben, Fontane diese eigenartige Entwicklung finden zu lassen. Aber man sieht sich demgegenüber auf die dunkle Empfindung angewiesen, zu greifbaren Tatsachen (die doch fontanescher wären) ge­langt man nicht.

Es ist freilich um jedes Persönlichkeitswerden ein Geheim­nis, wie um jedes Wachstum, wie überall, wo Natur aus ihren Tiefen schafft.

Wichtig scheint, daß Fontane dies Gefühl der eigenen Er­ziehungsbedürftigkeit nie verlassen hat, daß er noch als alter Mann bekannte, gern bei Leuten in die Schule zu gehen, die seine Enkel sein könnten. Die Eitelkeit hat er sich selber ganz bewußt aberzogen; die Erfolglosigkeit, die ihn ein langes Leben hindurch treu begleitete, half ihm dabei. Man kann es in seinen Briefen verfolgen, wie er sich das Wort von dem berühmten Bruder, den keiner kennt, zu einem Mene­tekel machte. Scharfer Beobachter sich selbst gegenüber das Beobachten und Schlüsse ziehen ist, wie Du weißt, meine Wonne" gewahrte er seine eigenen Fehler und faßte sie ins Auge. Und gerade diesen Weg der Selbstprüfung ging er weit über die übliche Strecke hinaus, bis ans Ende und dahin, wo das Selbstgefühl einer tiefen Skepsis allem Eigenen gegenüber gewichen ist. Nicht unmöglich, daß auch in solcher Skepsis noch ein Rest Eitelkeit vorhanden ist, dann aber ist sie nunmehr gleichsam mit ausgewechseltem Vorzeichen in die Lebensrechnung eingesetzt. Scharfer Be­obachter anderen gegenüber, kritischer, wo er liebte, befreite er sich von allem Feierlichnehmen der Menschen, ihrer Taten, Geschicke. Damit war das Gleichgewicht wiederhergestellt. Auch Umgebung und Widerstände, Arbeit und Lohn, Streben und Erreichen waren in gleicher Weise auf die Minusseite hinübergerückt. Auf der Plusseite stand alles, was ihm von der Mutter her im Blute war, der Respekt und der Ordnungssinn, bis zu wohltätiger Pedanterie (ohne

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