verzicht' ich allenfalls." Zwei Jahre später hat er im Theater einen Arger, „im Grunde genommen nur eine Bagatelle; und doch war nur eine Viertelstunde lang zu Mut, als müßt' ich auf dem Platze bleiben; das Herz schlug mir krankhaft, und uni die Hüsten herum hatt' ich einen heftigen Schmerz... Nervös war ich immer, aber doch nicht so. Und dann sag' ich mir wieder: Was will man denn noch? Das Leben liegt hinter einem, und die meisten Achtundfünf- ziger sind noch ganz anders ramponiert." Er ist ramponiert, das Leben liegt hinter ihm; unL was er noch zu geben haben wird, sind lediglich achtzehn Bände, von denen bis zu „Effi Briest" hinauf einer immer besser ist als der andere.
In einem Brief aus den siebenziger Jahren sucht er während einer ehelichen Verstimmung seine nervöse Gereiztheit und Verdrießlichkeit seiner Frau gegenüber zu entschuldigen. „Wenn ich bei einer Arbeit nicht von der Stelle kann," schreibt er, „oder das Gefühl des Mißlungenen habe, so bedrückt das mein Gemüt, und aus bedrücktem Gemüt heraus kann ich nicht nett, quick, elastisch und liebenswürdig sein." Aber er hat wohl zu denen gehört, deren LebenS- leistung ins Heldenmäßige wächst, weil sie nie von der Stelle zu kommen meinen; die das Vollkommene erreichen, weil sie ewig das Gefühl des Mißlungenen haben; und so liebenswürdig seine Briefe sind, so habe ich noch keinen getroffen, der ihn persönlich gekannt und ihn quick, elastisch und liebenswürdig gefunden hätte. Man erinnert si ch se iner als eines „pimpligen" alten He rrn, dem von ü berströmender SchaffenS- - lust nicht eben viel anrume rken war. Eine Dame, die seine Bekanntschaft in einem Badeort gemacht hatte, erzählte niir, daß er ihr auf die Frage, wie es heute mit seiner Arbeit gegangen sei, geantwortet habe: „Gott, schlecht. Ich habe da in der Laube gesessen, und anderthalb Stunden lang fiel mir nichts ein. Und als es gerade anfing, ein bißchen zu drippeln, da kamen ja die Kinder und machten Lärm; und da war es denn für heute vorbei." Die Dame äußerte sich
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