Baiser-Torte, wenn die Wirtin dabei strahlt und sich ein- bildet, mich der Alltäglichkeit meines Daseins auf zwei Stunden entrissen zu haben, ist sechscrhaft in sich und doppelt durch die Gesinnung, die es begleitet." Man hat ihn einen Philister gescholten; und er selbst hat sich gelegentlich so genannt. Aber er war durchdrungen von der Trivialität alles Mittleren und sah in der Armut, wenn nicht die Bedingung, so doch eine Begünstigung ungebunden schauender Künstlcrfreiheit. „Blick' ich zurück," schreibt er i88z aus Norderney, „so hat mein Leben hier viel Ähnlichkeit mit dem, das ich vor einunddreißig Jahren in London führte. Bewundernd ging ich vom Hyde-Park nach Regents-Park, entzückt stand ich auf Richmond-Hill und sah den may-tree blühen; die Luft, die ich atmete, die Reichtumsbilder, die ich sah, alles tat mir wohl, aber ich ging doch wie ein Fremder oder als ein nicht zu voller und ganzer Teilnahme Berechtigter durch all die Herrlichkeiten hin. Immer bloß Zaungast. Und so ist es hier wieder. Zum Glück balanciert der Himmel alles, und die Blinden sehen mit ihren Fingerspitzen. Die Dinge beobachten, gilt mir beinah mehr, als sie besitzen, und so hat man schließlich seinen Glück- und Freudeertrag wie anscheinend Bevorzugtere."
Dennoch: wie obsolet, wie altfränkisch mutet dies äußerlich kleinbürgerliche und enge Leben in seiner pauveren Loyalität uns Heutige an! Die Zeiten haben sich gewandelt, die Mächte der Gesittung, die man die „destruktiven" nennt, sind in so siegreichem Vormarsch gegen die „etablierten", die Rangstellung der Kunst, die Geltung des Geistes haben sich in dem Grade erhöht, daß eine Unterwürfigkeit wie die Fontanes uns fast kümmerlich dünkt. Was sind uns Orden und Titel? Wer wünscht sie sich, um respektvoller angeguckt zu werden? Das soziale Befinden des GeisteSmenschen, des nicht „Eingereihten", hat sich in sichtbarster Weise gebessert. „Keiner ist der Tor, sich dieses Zeichens ohne Not zu rühmen?" In München ward kürzlich ein Hochstapler
43