sich gleich bleibende Märchensprache, an der alte und neue Zeit, vornehm und gering gleichmäßig partizipieren. Alles Historische, meint er, komme zu kurz, auch in Geschichten, die sich, wie „Dietegen", keineswegs als Märchen, sondern als historische Sitten- und Justandsbilder geben. Und der Grund? Es sei der, daß dem Schweizer, all seiner Gaben, all seines Humors und Künstlertums ungeachtet, eins fehle: Stil. Freilich, was sei Stil? „Versteht man darunter," sagt Fontane, „die sogenannte charakteristische Schreibweise, deren Anerkenntnis in dem Buffonschen ,1e sr/Ie c'esr I'tiomme' gipfelt, so hat Keller nicht nur Stil, sondern auch mehr davon als irgendwer. Aber diese Bedeutung von 'Stil' ist antiquiert, und an ihre Stelle ist etwa die folgende, mir richtiger erscheinende Definition getreten: .Ein Werk ist um so stilvoller, je objektiver es ist, das heißt: je mehr nur der Gegenstand selbst spricht, je freier es ist von zufälligen oder wohl gar der darzustellenden Idee wider- sprechenden Eigenschaften und Angewöhnungen des Künste lers.' Ist dies richtig (und ich halt' es für richtig), so läßt sich bei Keller eher von Stilabwesenheit als von Stil sprechen. Er gibt eben all und jedem einen ganz bestimmten, allerpersönlichsten Ton, der mal paßt und mal nicht paßt, je nachdem. Paßt er, so werden, ich wiederhol' es, allergrößte Wirkungen geboren, paßt er aber nicht, so haben wir Dissonanzen, die sich gelegentlich bis zu schreienden steigern. Er kennt kein suum cur^ue, verstößt vielmehr beständig gegen den Satz: .Gebet den: Kaiser, was des Kaisers und Gott, was Gottes ist.' Erbarmungslos überliefert er die ganze Gotteswelt seinem Keller-Ton."
Sonderbar! Es ist Fontane persönlich, der hier spricht; aber man überlese etwa die fünf letzten dieser Fontanesätze noch einmal auf ihren Ton und Rhythmus hin (es ist hier nicht vom Inhalt die Rede) und man frage sich, ob man ihnen, so persönlich Fontanisch sie sind, nicht sehr wohl w einem Fontaneschen Romandialog begegnen könnte.
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