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Das Fontane-Buch : Beiträge zu seiner Charakteristik ; Unveröffentlichtes aus seinem Nachlaß ; das Tagebuch aus seinen letzten Lebensjahren / hrsg. von Ernst Heilborn
Entstehung
Seite
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und bildet meine eigenste südfranzösische Natur. Und nun kommt Hart und sagt mir: ich sei ein guter, leidlich anstän­diger Kerl, aber Stockphilistcr mit einem preußischen Lade­stock im Rücken. O du himmlischer Vater!" War Fontane ein Romantiker? Sein Besuch in Bayreuth, 1889, mißlingt vollkommen. Nur aus physischen Gründen: gegen Ende derOuvertüre" wird ihm schlecht und er gibt Fersengeld. Aber man darf glauben, daß ihm nicht schlecht geworden wäre, wenn derParsifal" ihm etwas zu sagen gehabt hätte, und die amüsante Art, in der er von derStrapaze" erzählt, macht deutlich, daß Tempelkunst und heiliges Theater sein Fall nicht war. War er ein Romantiker? Im deutschen Sinne gewiß nicht. Seine Romantik ist romanischer Her­kunft, eine Cyrano de Bergerac-Romantik, die unter Versen ficht. Auch schauerliche Motive, auch Tower und Richtblock, als Sühne für heiße Verfehlungen, kommen darin vor. Aber ihr Grundwesen ist Rationalismus, ist heiterer Geist und freie Sinnlichkeit, und was vollkommen fehlt, ist das ahndevoll Musikalische, das brünstig Metaphysische, die trübe Tiefe. Was'fehlt, ist ferner, bei aller Lust am Historischen, der reaktionäre Zug, der Haß gegendiese Zeit". Eine tapfere Modernität zeichnete Theodor Fontane aus, wie heute etwa Richard Dehmel sie vertritt.

Es gehört zu den Widersprüchen dieses ungebundenen und auf nichts eingeschworenen Geistes, der alle Dinge in seinem Leben von mindestens zwei Seiten gesehen hat, wenn er sich eines TageS mit erstaunlicher Entschiedenheit gegen das preußische Deutschland erklärt und Oberammergau, Bay­reuth, München, Weimar die Plätze nennt, daran man sich erfreuen könne. Bezeichnender für ihn ist sicher die Brief­stelle, wo er von dem berlinischen, residenzlichen, großstädti­schen Publikum spricht, das ihm wichtiger und sympathischer sei als die marlittgesäugte Strickstruwpfmadame in Sachsen und Thüringen; oder die andere, wo von Sittlichkeit die Rede ist und, wie bei NietzscheWartburg" undhöhere