eigentlichen Schriftsteller- und Psychologenaffekt, ist nicht weit mehr zu allen Naturalismen, Bosheiten und Ironien der Erkenntnis. Aus Briefstellen, wie der angeführten, redet der skeptische Psycholog über einen noch lebenden Helden. Bismarcks Tod ließ Fontane vor diesem letzten Ausbruch großen Deutschtums den mythisch-ehrfürchtigen, den großen Stil der Anschauung wiedergewinnen, zu dem er drei knappe Jahre früher nur die Jugend hatte verpflichten wollen, und er sang:
„Widukind lädt ihn zu sich ein:
Im Sachsenwald soll er begraben sein."
Der Dichter ist konservativ>-als Schützer des Mythos. Psychologie aber ist das schärfste Minierwerkzeug demokratischer Aufklärung. In den späten Briefen Fontanes, des Verherrlichers kriegerischen Preußenadels — in seinen Briefen, d. h. außerhalb seiner Produktion — findet man Kundgebungen stark revolutionären und demokratischen Gepräges, pazifistisch-antimilitaristische Äußerungen, die nicht nur als wohlwollende und verjüngungsbereite Anpassung an die literarisch-revolutionäre Jeitstimmung von 1880 zu verstehen sind, sondern durchaus auch seinem eigenen Wesen, dem, was rationalistisch-humanitäres r8. Jahrhundert (und 20. Jahrhundert?) in ihm war, zugehörten und den „ 8 oux- ?on" nachträglich in hohem Grade rechtfertigten, mit dem er seine „als Untergrund immer noch vorhandene Adelsvorliebe" behandelt sehen.mußte. Geister wie er müssen in ihrem politischen Verhalten kompliziert und unzuverlässig erscheinen, denn die Widersprüche, zu denen die Tagesdebatte sie drängt, finden ihre Aussöhnung und Auflösung erst in der Zukunft.
Das Schauspiel, das der alte Fontane bietet, dies Schauspiel einer Vergreisung, die künstlerisch, geistig, menschlich eine Verjüngung ist, einer zweiten und eigentlichen Jugend und Reife im hohen Alter, besitzt in der Geistesgeschichte
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