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Das Fontane-Buch : Beiträge zu seiner Charakteristik ; Unveröffentlichtes aus seinem Nachlaß ; das Tagebuch aus seinen letzten Lebensjahren / hrsg. von Ernst Heilborn
Entstehung
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sein. Übrigens ist sie wie zum Philosophieren geschaffen. Aber was war das Thema?"

Das Thema war das Gefühl."

Ah."

Du lachst, und noch dazu so ironisch."

O nein, nein; ein wundervolles Thema. Das sie gewiß beherrscht. Nun, wie kamt ihr darauf?"

Ich weiß nicht mehr recht, wie's kam; ich weiß nur noch, daß ich mich in einer Apotheose des Gefühls erging, es sei doch alles. Und ohne Gefühl sei gar kein Leben."

Und Oceane?"

Sie stimmte mir bei, aber doch befangen, und es war fast als ob sie Ausflüchte mache."

Sehr gut. Ausflüchte! Nun, worauf lief es hinaus?"

Es lief darauf hinaus, daß ich recht hätte, daß die Welt der Empfindung das Eigentliche sei, das Schöne, das Gött­liche. Aber gleich dahinter kommt die.Welt der Nicht-Empfin­dung, und wenn man glücklich sein könne, ohne zu fühlen, so möchte sie beinah sagen, diese Nicht-Empsindungs-Welt sei auch ein Glück. Ich bestritt es, und als sie mir Einwendun­gen machte, wurde ich immer lebhafter und sagte: ohne Empfindung sei nicht bloß kein Glück denkbar, sondern auch kein Leben. Es sei dann alles tot, Schein, Komödie, deshalb der Verachtungsstrafe (??) verfallen."

Und wie nahm sie das auf?"

Sehr gut, d. h. sehr artig. Und sie sagte dann: Sie wollen mir dabei entgegenkommen. Aber wenn es unrecht sei, so trüge dieser Zustand die Strafe gleich mit sich, und es wäre nicht nötig, daß die Gesellschaft noch eine Strafe verhänge. Die Gebote seien zu erfüllen, weil sie Verbote seien, Regun­gen, die da seien, ließen sich bezwingen, aber das Schöne, Gute ließe sich nicht erzwingen. Es gäbe Personen, die be­ständig gerührt wären und beständig weinten, und es gäbe andere, die nie weinen könnten; das eine sei eine Organi­sation und das andere auch, vielleicht läge das Rechte in der

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