die, wenn nichts Besonderes auf dem Spiele stand, mir plein xouvoir gaben; kamen aber die schlimmen Jahrhunderte an die Reihe, Kostnitzer Konzil, Huß, Luther, dreißigjähriger Krieg, so wurden sie doch ängstlich und erschienen in den Stunden, in denen mir oblag, die heiklen Themata zu behandeln. Oft, in späteren Zeiten, haben wir diese Situationen in heiterem Rückblick durchgesprochen, und immer ist mir dann zugestanden worden, eine offenbare natürliche Anlage für Diplomatentum an den Tag gelegt zu haben. Im Ganzen genommen war meine Stellung in dem lutherischen Flenderschen Hause schwieriger als in dem katholischen Wangenheimschen, weil man bei Flenders immer den Verdacht hatte, ich katholisiere zu viel oder hätte einen Hang, dem Katholizismus mehr Konzessionen zu machen, als zulässig sei. Diese Schwierigkeiten hatten alles in allem einen Reiz für mich, und so kam es, daß ich unter den konfessionellen Schwierigkeiten viel weniger litt als unter den literarischen. Das Kleine, wie das so oft der Fall, störte mehr als das Große. Frau Flender, eine ganz vorzügliche Dame, hielt zu Luther, aber schließlich war das was Angenommenes; wozu sie aber wirklich hielt, weil es sich mit ihrer sentimentalpoetischen Natur deckte, das waren ihre deutschen Dichter, ganz besonders die Romantiker, alte wie neue. So kam es denn, daß sie nicht bloß in den gefahrdrohenden Geschichtsstunden, sondern viel lieber und viel häufiger in den Literaturstunden erschien und hier persönlich Gastrollen gab. Ihre Spezialität waren die Minnesänger und der Wartburgkrieg, und so kam es denn, daß sie, als ich den letzteren etwas knapp und lieblos behandelt hatte, statt meiner das Wort nahm und wie eine Priesterin plötzlich Wolfram v. Eschenbach, Walther von der Vogelweide und andere aufmarschieren und in wohlgefügten Versen sprechen ließ, die von ihr selber herrührten. Nicht zu verwundern. Frau Flender, Rheinländerin, war eine Schwester der Schriftstellerin Katharina Diez und hatte sich selber in allen Dichtungsgattungen versucht.
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