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Das Fontane-Buch : Beiträge zu seiner Charakteristik ; Unveröffentlichtes aus seinem Nachlaß ; das Tagebuch aus seinen letzten Lebensjahren / hrsg. von Ernst Heilborn
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und was ganz speziell ins Gewicht fiel, das Fräulein von Meyern war persönlich eine schwache Katholikin. Aber das änderte sich. Es kam ein Tag der Bekehrung, und als ich die Familie kennenlernte, war der Ton, der durch das Haus gehende Geist, nicht nur ausgesprochen katholisch, sondern es herrschte wohl auch die Hoffnung vor, den lutherischen Freiherrn in die katholische Kirche mit hinüberzuziehen. Aber das mißlang, und dieser Kampf, der lange andauerte, schuf Haliszustände von großem Reiz. In der Regel entstehen daraus Konflikte, die sich bis zu offener Kriegführung, Bitterkeit und Vorwürfen steigern können; hier gab diese Friktion nur gesteigertes geistiges Leben und Wahrung der Tüchtigkeit. Jeder war auf der Hut, sich keine Blöße zu geben, so daß hier nur der Wille gegeben war, der die vor­handene Friktion, das ganze geistige und moralische Leben auf eine höchste Stufe hob. All das war nur möglich, weil das Fundament des ganzen häuslichen Lebens große Liebe war. Der Freiherr liebte und verehrte seine Frau, sie ihn, und die Iwillingstöchter schwankten, ob ihr Herz mehr dem Vater oder der Mutter zugehöre. Der Mutter neigten sie sich zu, weil die Glaubensgemeinschaft sie an sie band; aber der Vater, der ihnen den Schmerz antat, einen andern Glauben zu haben, war doch wohl ihr alles, weil die ganz seltenen Herzenseigenschaften alles wett machten und über alle Bedenken, die der Glaubensunterschied schuf, hinweg­halfen. Und das war alles nur in der Ordnung. Er war ein Mann von seltener Güte, bescheiden, ohne jede Spur von Vortrag oder gar Renommisterei, dabei edel, ritterlich, immer zum Nachgeben und zum Verzeihen geneigt. Aber all das ging nie bis zur Schwäche, und so gewiß sein Übertritt die Familie beglückt haben würde, so gewiß war es doch auch, daß die Festigkeit, die er hier bis zu seiner letzten Stunde zeigte, die Liebe zu ihm nur steigerte, weil sich in die Liebe zu ihm der ungeheucheltste Respekt mischte. Er laS wohl katholische Legenden und Andachtsschriften, aber nur aus

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