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Das Fontane-Buch : Beiträge zu seiner Charakteristik ; Unveröffentlichtes aus seinem Nachlaß ; das Tagebuch aus seinen letzten Lebensjahren / hrsg. von Ernst Heilborn
Entstehung
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Hang nach geistiger und literarischer Beschäftigung; der Inhalt glitt an ihm ab, er blieb, der er war.

An Herz und Gemüt war er seiner Frau überlegen (daß gerade ich das sagen muß, der ich durch Herz und Gemüt dieser Frau vom ersten Tage an verwöhnt wurde), an Herz und Gemüt war der alte Freiherr seiner Frau überlegen, aber an Geist übertraf sie ihn und weit vor allem an Tem­perament, Schneid, Energie, vor allem an jenen Eigen­schaften, darunter auch Schwächen (ja diese recht eigentlich), die eine Figur machen. Sie zählt zu den interessantesten Frauen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, und ich habe ziemlich viele kennengelernt. Daß sie so interessant war, lag, wie schon, angedeutet, in den Gegensätzen, die sich in ihr einten, richtiger wohl in einem fort bekämpften; denn während sie eine scharfe Katholikin und ihrem Glauben fest und treu ergebene Frau war, so habe ich doch kaum eine Frau kennengelernt, die ihrer Naturanlage nach weltlicher gewesen wäre. Diese Weltlichkeit brach nun beständig wieder durch, ganz ungeniert, beinah mit Freudigkeit, als freue sie sich des momentanen Triumphes über all das Höhere und Transzendentale, und diese Weltkindschaft, ein Boden, auf dem wir uns fanden, lieh der ganzen Frau einen ganz eigenartigen Zauber. Mit dieser Weltkindschaft und der großen gesellschaftlichen Feinheit und Freiheit, die sie aus­zeichnete, hing es auch zusammen, daß sie nichts lieber tat, als mit mir über katholische Dinge zu sprechen und an meinen mit Fidelität vorgetragenen Ketzereien eine unaussprechliche Freude hatte. Wie derNarr" an den mittelalterlichen Höfen, konnte ich sagen, was ich wollte, denn sie wußte, daß jedes Verletzliche weit ausgeschlossen war, ja, sie hörte mit feinem Ohr heraus, daß ich inmitten aller Fragezeichen mit vielem auf dem Standpunkt vonwenn schon denn schon" stand und inmitten einer gänzlichen Abkehr mich, wenn denn mal wo hin geneigt sein sollte, mich mehr ihr zuneigte als allen andern. Ich verdanke dem Hause die glücklichsten

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