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Judenproblem / von I. Breuer
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tatsachen der Menschen so genau zergliedern, wie man nur irgendwie kann: von Rasse wird man nicht die leiseste Spur darin entdecken. Nichts steht im Wege, den eigenartigen Komplex von Bewußtseinstatsachen zugleich mit dem ge­samten Komplex körperlicher Eigenschaften etwa zu dem Besitz eines Langschädels in Parallele zu setzen: mehr als eine bloße Parallele ist es niemals. Der Zusammenhang zwischen dem Langschädel und jenem Komplex von Bewußt­seinstatsachen ist ein unbedingt unerforschliches Rätsel. Be- wußtsein und Rasse sind völlig inkommensurabel. Bewußt- seinstatsachen mit Rassen in Verbindung bringen heißt lediglich zu einem Rätsel ein zweites fügen.-

Wie kommt es, daß es heute noch, nach fast zweitausend Jahren, Menschen gibt, in denen das historische Bewußtsein, Abkömmlinge des in Palästina einstmals staatlich geeinten Volkes der Juden zu sein, so lebendig ist, als wäre die Kata­strophe des Staates erst gestern eingetreten?

Wird die Frage solchermaßen in Klarheit gestellt, so leuchtet ihre völlige Beziehungslosigkeit zum Rassenproblem ohne weiteres ein.

Es gibt keinen Juden, wie es überhaupt keinen Menschen gibt, der sich bewußt als Angehöriger einer bestimmten Rasse fühlt. Nur als Mensch, nicht aber als Rassentyp erkennt er seine Eigenart. Der Jude weiß, daß er vielfach anders sieht, fühlt und urteilt als der Nichtjude. Er mag es sich auch wohl allmählich haben einreden lassen, daß dies davon herrühre, weil er einer Rasse angehöre, die dem Nicht­juden fremd sei. Aber es ist nur ein leeres Wort, das er da nachspricht, im besten Falle eine ganz unnütze Tautologie. Daß er anders sieht, fühlt und urteilt, sowie noch etliche Ab­sonderlichkeiten mehr, werden mit der Etikette: Rasse ver­sehen. Das ist alles. Er erfährt damit, daß all seine Ab­sonderlichkeiten so und nicht anders sein müssen, weil er der jüdischen Rasse angehört. Und ist so klug als wie zuvor. Prüft er sich aber selbst genauer, so wird er bald gewahr, ein wie unendlich gleichgültiges Schemen ihm diese jüdische Rasse ist, die man ihm aufgeklebt hat, wie sich alles in ihm dagegen empört, das Geheimnis seiner Persönlichkeit nach Grundsätzen der Tierzucht lückenlos entwirrt zu sehen, und wie diese Persönlichkeit nicht in der Rasse, sondern allein

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