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Judenproblem / von I. Breuer
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Problem entsteht vielmehr erst unter bestimmten Voraus- setzungen, die einfach zugestanden werden müssen. Wer die Freiheit leugnet, kennt kein Freiheitsproblem. Wer das preußische Wahlrecht für das idealste aller in diesem preu­ßischen Jammertal möglichen Wahlrechte erachtet, wird auch kein preußisches Wahlrechtsproblem anerkennen. Man soll auch mit Problemen tolerant sein und soll sie niemandem auszwingen.-

Gewiß steht das Judentum als Religionsbekenntnis zu­nächst im Gegensatz zu den übrigen Religionen und erscheint als Idee nicht geeignet, Volk von Volk zu scheiden. Aber im Grunde ist es ja gar nicht das Religionsbekenntnis, das ausschließlich zwischen Juden und Nichtjuden steht. Es ist das Gefühl des Anders-, wenn nicht gar des Fremdseins, das sie trennt, ein Gefühl, das auf den Unterschied des Religionsbekenntnisses ganz und gar nicht zurückgeführt werden kann. Es gibt bei uns in Deutschland sehr viele Juden, denen man ihr Religionsbekenntnis überhaupt nicht anmerkt. Soweit sich dieses Religionsbekenntnis im Mono­theismus erschöpft, tritt es praktisch gar nicht in die Er­scheinung und sieht zudem dem extrem liberalen Protestan­tismus so ähnlich wie ein Hühnerei dem anderen. Dazu kommt noch, daß bei den deutschen Juden der Gegenwart von einem einheitlichen Religionsbekenntnis schon seit den Tagen der Judenemanzipation nicht im mindesten mehr die Rede sein kann. Die orthodoxen Juden Deutschlands, die sich religionsgesetzlich für gebunden erachten, nur rituell zu­bereitetes Fleisch eines rituell geschlachteten, zum Genüsse überhaupt erlaubten Tieres und zum Genüsse verpönt ist durchaus nicht lediglich das Schwein, sondern unter den Säugetieren alle, die nicht Wiederkauen oder keine gespaltene Klaue haben als Nahrung aufzunehmen, die am Sabbat ihr Geschäft streng geschlossen halten und von geschäftlichen Dingen nicht einmal reden, die orthodoxen Juden, denen die Verletzung der Sabbatvorschriften als todeswürdiges Verbrechen gilt, sind von den liberalen Juden Deutschlands dem Religionsbekenntnis nach durch eine weit, weit tiefere Kluft geschieden, als die liberalen Juden von den liberalen Ij> Protestanten. Man weiß, daß die religiösen Gegensätze unter den Juden Deutschlands eine solche Schärfe ange-

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