man damit diesen Haß irgendwie erklärt? Mitnichten! Der Zusammenhang zwischen Gefühlen und der Blut- Mischung entzieht sich völlig unserer Einsicht. Ein Willkür- liches Dogma tritt an die Stelle kritischer Entwirrung und steigert die Schärfe des Problems, statt es der Klärung näher zu bringen.
Das Blut haßt nicht. Die Persönlichkeit haßt. Ihr Geheimnis gilt es zu lüften. -
Eine unheimliche Erscheinung ist dieser Haß. Er findet sich zuweilen selbst bei Menschen, die sonst voll Güte sind und in der Höhenluft der Ideen sich zu Hause fühlen. Er trifft sich bei Männern vor. denen Juden niemals das geringste Leid getan haben, und verträgt sich sogar nicht selten mit wahrer und echter Freundschaft zu einzelnen Juden. Er richtet sich nur in seiner gemeinsten, in seiner berufsmäßig antisemitischen Ausgestaltung als wahre „Schmach des Jahrhunderts" gegen bestimmte Personen und hat in seiner gegen das ganze Judentum an sich gerichteten Prägung einen fast metaphysischen Charakter.
Und dieser Haß kennt kein zersplittertes, in bunte Mannigfaltigkeit entartetes Religionsjudentum. Er fragt nicht nach orthodox und liberal, nach „Gemeindebund" und „Freie Vereinigung". Von alledem weiß er in der Regel überhaupt nichts. Er ist-religiös neutral.
Es ist hier das zweitemal, daß uns diese religiöse Neutralität begegnet. Die jüdischen Großgemeinden Deutschlands und der Judenhaß haben die religiöse Seite des Judentums nicht zum eigentlichen Gegenstand. Ihnen ist die Religion höchstens Anknüpfungspunkt, aber sicher nicht Wesensgrund.
Liegt hierin ein Zufall? Oder sieht vielleicht der Judenhaß schärfer? -
Gewiß äußert sich der Judenhaß zuweilen auch in widrigen Angriffen gegen Ideen und Einrichtungen der jüdischen Religion und sucht ihre Schriften in kleinlichem Eifer nach bedenklichen Stellen ab. Aber es ist nicht die Religion, die er eigentlich damit treffen will, sondern es sind die Juden.-
Für die dämonische Tiefe des Judenhasses zeugen die Ereignisse der Gegenwart.
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