delns verloren und wagt selbst den Anspruch nicht mehr zu erheben, den jede Nation, solange sie nur lebt, unverjährbar besitzt: den Anspruch auf Licht und Lust, den Anspruch, zu sein wie sie ist, den Anspruch auf das Land, das allein ihr dieses wie jenes gewährleisten kann. Nie habt ihr, in all den Jahrhunderten nie, auf das Land eurer Väter verzichtet. Man sagt mir, daß ihr es heute noch, wie ehedem, als euer Land, Erez Jißrael, benennet und mit der ganzen Sehnsucht eurer Seele liebt. Aber mit ängstlicher Scheu verbergt ihr die Sehnsucht eurer Seele, und im Rate der Völker, der über das Schicksal der Erde entscheidet, habt ihr, seit den Heldentagen Bar Kochbas, nie wieder eure Stimme erhoben, um zu fordern, was euch zusteht, um euer Recht anzumelden,
das ihr zu haben glaubt. Wer aber nicht einmal zu fordern wagt, wie kann der sich wundern, wenn man ihn stets übersieht, sooft man die Länder verteilt? Staunt ihr darob, daß schließlich die Nationen selber wähnen, daß ihr gar nichts anders wollt, als in ihrem Schatten geduldet zu weilen, und daß sie sich schon edel und erhaben dünken, wenn sie euch nur bei sich wohnen lassen? Die Nationen mögen euch nicht, und ihr selber wollt lieber heute als morgen ins Land eurer Väter zurück: drum auf nach Zion, und ihnen wie euch ist geholfen!-
Und Theodor Herzl wendet sich an die Nationen und spricht zu ihnen in neuer Sprache. Er, der gefeierte Literat mit den königlichen Formen, heftet sich die Schmach des gelben Judenflecks an die Brust, und glühender Unwille rötet seine Stirn: Was habt ihr aus meinen Juden gemacht, seit Titus sie euch ausgeliefert hat? Wohin habt ihr die Helden gebracht, die einst Judas Makkabäus von Sieg zu Sieg geführt? Ihr habt sie entrechtet und entnervt und spottet nun ihrer Feigheit. Ihr habt sie entwurzelt und zerstreut und beargwöhnt nun ihre Unstetheit. Ihr habt sie bespien und begeifert und bezichtigt sie nun der Ehrlosigkeit. Ihr habt sie verschachert und kapitalisiert und höhnt nun ihre Geldgier. Die Narben eurer Hände decken ihren Leib und nun ekelt euch ob dieser Narben. Euer Ekel ist eure Judenfrage, wie ihr sie versteht. Sie zu lösen, habt ihr den Juden wie ein elendes Almosen die Emanzipation zugeworfen: da nimm und tauch' unter! Und als sie euch nicht gleich den
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