ihren Feierstunden sie willenlos mitfortriß, das konnte ihr vom Strudel westlicher Assimilation längst entwurzelter Geist nicht anerkennen. Nicht aus dem Grunde ihrer Seele schöpften sie die geschichtliche Synthese, denn dort schlief Israels Religion den Zauberschlaf, und ob sie auch in Liebe zu ihr entbrannten, schreckten sie doch die Dornen, um den Schlaf zu bannen. So war ihnen die jüdische Nation eine Form mit unverstandenem Inhalt, und sie ließen den Inhalt beiseite und machten eiligst bei West- europa eine Anleihe, um neuen Inhalt zu gewinnen. Rettungslos war ihr Geist der Assimilation verfallen. Sie konnten sich eine Natio n nicht anders denken, als wie die Nationen der Erde, als wie die Nationen Europas, und da bei diesen Nationen das religiöse Element nur einen verschwindend kleinen Bruchteil des nationalen Kulturschatzes ausmacht, schreckten sie selbst vor dem ungeheuerlichen Unternehmen nicht zurück, die jüdische Nation ihres geschichtlichen Inhalts zu berauben und eine funkelnagelneue Kultur erst künstlich zu erzeugen. Ein ganzer Troß zionistischer Schriftsteller kam über Nacht empor und suchte in bewundernswerter Vielgeschäftigkeit Hals über Kops nachzuholen, was Israels Nation jahrtausendelang verabsäumt hatte. Aber das große Gewimmel zionistischer Romane, Gedichte, Dramen und Abhandlungen: schaut man näher zu, so war es nichts als ein Internationales, aus den Kulturen der europäischen Nationen gewonnenes Destillat, das bereits ehedem schon das jüdische Assimilantentum mit Erfolg gehandhablhatte und nun bloß eine neue Etikette erhielt. Im Namen der jüdischen Nation war und blieb man — international.
Indem der Zionismusbie Nation von der Religion trennte, versündigte er sich am Geiste der Geschichte, den er eben erst mit Erfolg beschworen hatte. Denn die Form der jüdischen Nation barg keinen anderen nationalen Kultu rinhalt als die jüdische Religion. Läßt man die Religion beiseite, so wird die vieltausendjährige Geschichte der jüdischen Nation sinnlos und die nationale Einheit gedeiht zum leeren Schemen. Das« mag man bedauern. Zu ändern ist es nicht.
Die jüdische Nation hat ihr Land verloren und hat ihre Sprache verloren. Aber sie weigerte sich, unterzugehen, weil
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