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für die geworbenen Soldaten. Die übrigen, die aus festen Aushebungsbezirken des Inlandes (Kantonen) rekrutierten, wurden nach ihrer ersten Ausbildung (1—1 1/2 Jahre) den übrigen Teil des Jahres, also bis zu 10 1/2 Monaten, in die Heimat beurlaubt.
Anders in Potsdam, dessen Garde keine Kantone hatte, sondern aus allen Regimentern der Monarchie rekrutierte. (Bis auf 60 Mann aus den schlesischen Gebirgsgegenden für das Regiment Prinz Heinrich).
Wegen zu weiter Entfernung von der Heimat gab es hier nur ganz wenige Urlauber. Die meisten blieben auch die 10 Monate außer der eigentlichen Exerzierzeit in Potsdam, hatten nur Wachtdienst und Wachtparade und mußten sich im übrigen beschäftigen, was Friedrich Wilhelm I. seinen Grenadieren nicht gestatten wollte. So blieb der Soldat, weil er nicht, wie heute kaserniert und auf kurze Dienstzeit ausschließlich beansprucht wurde, in steter Fühlung mit dem Bürger, bei dem er ja auch wohnte. Er hatte nebenbei den Charakter eines Stadtbewohners, der sich mit bürgerlicher Nahrung beschäftigte. Er leistete dem Bürger und dem Offizier die verschiedensten Dienste und durfte Handwerk treiben, ohne zünftig zu sein, was natürlich dem zünftigen Bürger nicht angenehm war. Meistens wurden jedoch die Soldaten als Spinner für die Tuchweber und sonstigen Textilfabrikanten beschäftigt. Das Spinnrad gehörte zum Soldaten, bei dessen Unterbringung auf das Spinnrad Rücksicht zu nehmen war. Seltsames Bild: der erprobte Krieger des großen Königs und gerade der Mustersoldat — wie Herkules am Spinnrocken sitzend, wo wir Frauen zu sehen gewohnt sind! Wenn wir an einem stillen Sommernachmittag durch die Straßen des Friedericianischen Potsdam wandern