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Geschichte der Stadt Potsdam / unter Mitwirkung von ... hrsg. von Julius Haeckel
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könnten, würden wir erstaunt sein, aus jedem Haus bei offenem Fenster das Surren der Spinnräder zu hören und beim Eintreten in die Quartierstube die Soldaten, die vormittags stolz zur Parade aufzogen, friedlich am Spinnrads sitzen zu sehen.

Selbst der werdende Soldat und das Soldatenkind mußte der Industrie dienen. Die Zöglinge des Großen Militär-Waisenhauses, die schon unter Friedrich Wilhelm I. zum Strümpsestricken herangezogen waren, bei denen aber doch der Erziehungszweck und die Aus­bildung in Handfertigkeiten zu späterer Brauchbarkeit im bürgerlichen Leben im Vordergrund standen, werden jetzt unter Vernachlässigung der Jugenderziehung vorwiegend und unter Ausnutzung ihrer Kräfte in der Industrie be- schäftigt.

Die Waisenknaben waren 1740 aus 1400, die Mädchen auf 150 angewachsen, nach dem siebenjährigen Kriege auf über 2000 Knaben und über 500 Mädchen. Die Knaben wurden bei Handwerkern im Hause selbst und in der Stadt beschäftigt, in der Hautboisten- und Tambourschule für den Heeresdienst vorbereitet. Daneben verlangten jüdische und christliche Fabrikanten zahlreiche Waisenknaben als billige Arbeitskräfte, denen sieaus Patriotismus" Fertigkeiten beibringen wollten. Außer Wohnung und Holz brauchten sie weder Lohn zu geben noch Unterhalts- kosten, die das Waisenhaus trug. In Woll-, Baumwoll- und Leinen-, Strumpf-, Hut-, Mützen-, Handschuh- und Tapetenfabriken und der Weißgerberei wurden sie be­schäftigt. Besonders fanden sie Verwendung in der Gold- und Silber-Drahtzieherei des Berliner Münz- und Schutzjuden Ephraim, der ein Monopol für ganz Preußen in diesem Zweige hatte. Endlich nahmen seit 1744 der