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Geschichte der Stadt Potsdam / unter Mitwirkung von ... hrsg. von Julius Haeckel
Entstehung
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bei Berücksichtigung der damaligen Kindersterblichkeit und der mangelhaften Gesundheitsverhältnisse, besonders in solchem Riesen-Internat, reden diese Dinge doch eine er­schreckende Sprache, die schließlich ihre Wirkung nicht ver­fehlte. Freilich kannte man eben noch keinen gewerblichen Kinderschutz, und das Waisenkind mußte sich für das empfangene Almosen die Ausnutzung als Arbeitskraft gefallen lassen. Über der wichtigen sozialpolitischen Maß­regel der Erziehung zur gewerblichen Arbeit wurde die sanitäre Fürsorge vernachlässigt.

Ganz besonderer Förderung durch Friedrich II. hatte sich in Potsdam die Seidenindustrie zu erfreuen als das vornehmste Glied in dem Merkantilsystem, dessen Ziel die Stärkung der eigenen Industrie war, um sie vom Ausland unabhängig und zur Ausfuhr kräftig zu machen. Der Wert der Seide ließ großen Gewinn erhoffen. Nach dem Vorbild anderer Kulturländer, besonders Frankreichs (Lyon), führten auch die Brandenburgischen Hohenzollern die Seidenweberei und bald darauf den Seidenbau ein. Die Erzeugung der Rohseide, die von dem Cocon der Seidenraupe abgehaspelt und gezwirnt wird, seht den Anbau des Maulbeerbaumes voraus, dessen Blätter den Raupen zur Nahrung dienen. Während die Seidenraupe gegen unser Klima empfindlich ist und sorgsamste Pflege erfordert, eignen sich dieSandschellen" der Mark sehr für den anspruchslosen Maulbeerbaum. Schon Friedrich Wilhelm I. hatte 1716 Amtsleuten, Magistraten und Landgeistlichen den Anbau, besonders auf Stadtwällen und Kirchhöfen, befohlen und auch in der Umgebung Potsdams den Maulbeerbaum heimisch gemacht. Doch erst sein Sohn betrieb die Seidenzucht im großen Maß­stabe. Er machte das Potsdamer Waisenhaus unter