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teilweise noch barockes Gepräge, trotz der prächtigen jonischen Proszeniumssäulen. Im Äußeren ist es neu- klassizistischer Richtung. Ernste altjonische Säulen stützen Architrav, Fries, Gesims und Attika mit Schadows Musenrelief, darüber gibt ein großes Giebelfeld den Abschluß. Ein riesiges Walmdach ist vermutlich von chinesischer Linienführung romantisch bestimmt. Das gesamte Bauwerk kann als Meisterleistung des Zopfstils oder Vorklassizismus angesprochen werden.
Die Gotik findet ihre Stätte um 1800 am Wilhelmsplatz 2/3. Sie ist hier wie im Neuen Garten rein schmuckhafter Art. Die Pilaster sind denen der Barockzeit nachempfunden, das Ganze verrät nur oberflächliche Kenntnis der wirklichen gotischen Formen und ist ein Zeichen sentimentaler Mode. In ähnlicher Weise stellt sich die Wilhelmswarte auf dem Brauhausberge dar. Diese ist auf das Seltsam-altertümelnde gestimmt, das man zur Erhöhung empfindsamen Naturgefühls nötig hatte. Auch Gesamterfassung der Landschaft bietet sich hier beim Ausblick auf Stadt und Fluß. Der konsequente Klassizismus ist am Tempel der Pomona gegeben, der sich am Abhange des Pfingstberges erhebt, ein jonischer viersäuliger Profiylos mit Apsis. Von hier aus bietet sich eine köstliche Fernschau nach Osten auf das Haveltal, über dem der Sonnenaufgang wohl die Seele anregen konnte. Für das Gemüt Friedrich Wilhelm III. und Luisens sind beide Punkte ungemein bezeichnend. Auch das Stadtschloß (1800) erfuhr eine Umänderung im neuen Stil. Wenn man aus dem Bronzesaal heraus den Westflügel betritt, findet man sich aus der Rokokowelt in eine völlig andere versetzt. Türumrahmungen und Wände zeigen klassische Motive, besonders im pompejanischen oder etrus-