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Maimonides : Leben und Werke / anläßlich des 800. Geburtstages geschildert von J. Hirsch
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verneint die Frage. Weil die Karäer die Tradition, die Anordnungen der Rabbaniten nicht anerkennen, soll man sie auch nicht bei einer rabbinischen Einrichtung verwenden. Gegen die Sekte der Karäer trat Maimonides in Gemeinschaft mit seinem Rabbinatskollegium in rituellen Angelegenheiten strenge auf, weil sie durch ihre größere Anzahl in den ägyptischen Gemeinden einen gewissen Einfluß hatten, an dem Funda­ment des Judentums, an der entwicklungsfähigen Tradition rüttelten und so die Einheit des Judentums störten. Bei äußeren Gefahren und Unbilden ist fester, innerer Zusammenhalt, eine geschlossene Phalanx im Kampfe für das Judentum dringend vonnöten. Aber in gesellschaft­licher Hinsicht, im sozialen Verkehr von Mensch zu Mensch empfiehlt Maimonides in seinem Bescheid über eine diesbezügliche Anfrage, daß man auch den Karäern gegenüber (wie nach dem Talmud auch Heiden gegenüber) die Gebote der humanen Sitte und der praktischen Nächsten­liebe erfüllen müsse. So war Maimonides bei aller strengen Betonung des Rituellen, angeregt durch den religiösen Geist der Bibel und des Talmud, ein Lehrer der Humanität.

Die drei Hauptwerke Maimunis.

a) Der Kommentar zur Mischna.

Trotz seiner anstrengenden, Zeit und Kräfte raubenden rabbinischen und ärztlichen Praxis betrieb Maimonides die theoretische Forschung, die er für die beste Geistestätigkeit hielt, die Forschung auf allen Gebie­ten des Wissens, namentlich in ihrer Anwendung auf das Gebiet des religiösen Wissens. Hier in Ägypten vollendete er im Jahre 1168 sein Jugendwerk, den Kommentar zur Mischna, dem dann sein Religions­kodex, Misne Tora genannt, und sein religionsphilosophisches Buch, der Führer der Schwankenden, folgten. Sie bilden seine drei Hauptwerke.

Der Kommentar zur Mischna war in arabischer Sprache mit hebrä­ischen Lettern geschrieben und wurde dann ins Hebräische übersetzt. Es sei mir hier eine persönliche Reminiszenz gestattet aus der Zeit, da ich in Oxford hebräisch-arabischen Studien oblag. Ich sah dort in der Bodlejanischen Bibliothek unter einer Glasvitrine das arabische Manu­skript des Mischna-Kommentars mit Maimunis eigenhändiger Unter­schrift. Ein Schauer der Ehrfurcht wehte mich an und erfüllt mich auch jetzt noch in der Erinnerung.

Der arabische Titel des Werkes lautet: Kitäb al-siräg, d. h. das Buch der Leuchte (oder Beleuchtung) und seinem Namen entspricht sein Inhalt. Es verbreitet Licht über die Mischna, die nebst der Thora die zweite wichtige Quellenschrift des Judentums ist, weil sie die sogenannte mündliche Thora, den seit der Rückkehr der Juden aus Babylon, seit der Zeit des zweiten Tempels, mündlich vorgetragenen Lehrstoff der Religion, der Jurisprudenz, der Ethik in sechs Ordnungen (Sedarim) durch R. Jehuda Hanasi (cirka 200 n. Chr.) gesammelt, enthält.

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