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Maimonides : Leben und Werke / anläßlich des 800. Geburtstages geschildert von J. Hirsch
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Diese 13 Glaubensartikel philosophisch zu begründen, eine mög­lichst genaue Synthese zwischen jüdischer Religion und (hauptsächlich) Aristotelischer Philosophie herzustellen, das war Ziel und Zweck des More Nevuchim.

Der Gottesbegriff

Um den in der Bibel enthaltenen, von den Propheten verkündeten und im Volksbewußtsein lebendigen Glauben an Gott philosophisch zu begründen, ist es nach Maimonides vor allem nötig, ihn von allen Schlacken der volkstümlich, naiven Vorstellung und biblischen Dar­stellung zu läutern, alle Gott vermenschlichenden Ausdrücke, Attribute körperlicher oder seelischer Art (Sehen, Gehen, Zürnen, Bereuen) in ihrem tieferen Sinne zu erfassen und so den Gottesbegriff in seiner philosophischen Reinheit und Klarheit aufleuchten zu lassen. Als die von allen Attributen geläuterte, rein begrifflich erfaßte Wesenheit Gottes ergibt sich im Sinne Aristoteles, dem Maimonides folgt: Gott ist die erste, alleinige Ursache der Welt, der Urgrund aller Bewegung, der letzte Endzweck alles Seins.

Nach dieser Klärung und Feststellung des Gottesbegriffes folgen im II. Teile des Werkes die Beweise für das Dasein Gottes, zumeist nach Aristoteles in der Fassung der arabischen Philosophen. Der Kern dieser Beweise liegt etwa in folgender Erwägung: alle Bewegungen der Sphären fordern logischerweise eine bewegende, wirkende Ursache, eine geistige Substanz, eine die Materie beseelende Kraft (in der Aristotelisch-Maimunischen Terminologie heißt sieForm) und führen letzten Endes zu einer ersten, ursachlosen Ursache der Substanzen der bewegten Körper, zu einem ersten unbewegten Beweger, primus motor zu Gott. Das ist der sogenannte kosmologische Beweis für das Dasein Gottes. Mit diesem Beweise stehen die Beweise für die Unkörperlichkeit und Einheit Gottes im Zusammenhänge. Die Ein­heitlichkeit der Ordnung in der Welt, die überall hervorleuchtende Zweckmäßigkeit, das zweckdienliche Ineinandergreifen der Organe der Lebewesen weist auf eine zwecksetzende, höchstetätige Vernunft, auf Gott hin. Das ist der sogenannte teleologische Beweis für das Dasein und die Wirksamkeit Gottes. Diese Wirksamkeit heißt in der Sprache der neuplatonischen Philosophenschule Emanation. Da nun Gott sagt Maimonides als ein unkörperliches, rein geistiges Wesen alles in der Welt bewirkt und verursacht, sagen wir in Er­mangelung eines besseren Ausdrucks: die Welt ist durch eine Emanation Gottes entstanden. Und so kommt denn Maimonides zu der Frage der Weltentstehung, zur Kosmogenie.

Ist die Welt erschaffen oder von Ewigkeit her? Das ist hier die Frage. Die biblische Auffassung lautet: die Welt ist die freie Schöpfung Gottes; die philosophische Ansicht lehrt: die Welt ist ewig, aus einer

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