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Maimonides : Leben und Werke / anläßlich des 800. Geburtstages geschildert von J. Hirsch
Entstehung
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ethischen Lehre des Judentums sein. Daher umfaßt es auch Rechts­normen und Ritualvorschriften, die sich auf das h. Land, die Abgaben von den Bodenerträgnissen, auf den h. Tempel, den Opferdienst u. dd. beziehen und nicht mehr in Geltung sind. Diesem Werke schickte er ein kleineres Werk, eine Abhandlung über die 613 Gebote und Verbote der Thora, dassefer hamievot, in arabischer Sprache voran. Wir haben schon früher kurz bemerkt, daß im Talmud der riesige, durch Jahrhunderte fortgesponnene Stoff dermündlichen Lehre in Form von Erklärungen und Deutungen, von Interpelationen und Diskussionen über Themen des Gesetzes (Halacha), zuweilen wohltuend unterbrochen von Legenden und Erzählungen (Agada), von astronomischen und astrologi­schen, von naturwissenschaftlichen und medizinischen Bemerkungen, bunt durcheinander und neben einander aufgestapelt ist. Nun galt es, hier Ordnung zu schaffen, den gewaltigen Lehrstoff für die religiöse Praxis in ein System zu bringen, aus der Fülle der durcheinander wogen­den, oft divergierenden Lehrmeinungen das gültige Recht, die religiöse Norm (Halacha) herauszuholen, um so ein festes Fundament für die civitas dei, für das Gottesreich des jüdischen Volkes, eine sichere Richt­schnur für die religiöse und ethische Lebensführung in der Familie, in der Gemeinde, in der Umwelt, im Handel und Wandel zu schaffen. Dies war die Aufgabe, die sich Maimonides gestellt und die er nach heißem Bemühen, nach jahrelanger tiefschürfender Arbeit, vermöge seiner Be­herrschung und geistigen Durchdringung des Lehrstoffes auch gelöst hat.

Dieses Werk als geistiges nationales Bindemittel für das zerstreute jüdische Volk gedacht, ist daher auch in der nationalen Sprache,, im Neuhebräischen der Mischna verfaßt; dieses Werk für die Praxis des religiösen Lebens als Gesetzbuch, als Ritualkodex geschaffen, läßt auch die religiösen Theorien seines philosophischen Verfassers nicht vermissen. Schon die Lehrer des Talmud diskutierten die Frage, was wichtiger sei: das Studium der Thora, die religiöse Theorie, oder das Üben der Gebote, die fromme Praxis? Und man entschied sich für die Theorie, weil sie zur Praxis führt. Dieser Gedanke schwebte wohl auch unserem Maimo­nides vor.

Das Werk zerfällt in ia Bücher; es wurde auchJad chazaka genannt, weil die Buchstaben des Wortes iad den Zahlenwert 14 ergeben, aber hauptsächlich wohl, weil es eine starke, feste Hand in der Führung auf demMeere des Talmud bekundet. Das erste dieser 14 Bücher behandelt die Grundlehren der iüdischen Religion über die Einheit Gottes, über das Pronhetentum, über Ethik und Pädagogik, sodann die Vorschriften, die Götzendienst und heidnische Sitten verbieten, und endlich die Wege zur Buße nach Sünde und Abfall zum Götzendienst. Die in dem ersten Buche (sefer hamadda das Buch des Wissens) gebotene Erkenntnis der theoretischen Lehren des Tudentums leitet hin­über zu den übrigen Büchern, welche die Vorschriften enthalten, durch welche wir unsere Liebe zu Gott und zu den Menschen bekunden. Maimonides hat sich bei der Einteilung des Stoffes, wie nachgewiesen

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