Heft 
(1955) 1
Seite
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Das blaue Wunder

Alljährlich im April tut es sich vor den Augen derer auf, die zu den Wein­bergen bei Perleberg hinauswandern. Über die kahlen unbewaldeten ersten Anhöhen nahe Perlhof breitet sich dann der blaue Blütenteppich der Kuh­schellen aus.

Der lateinische Name dieser schönen Frühlingspflanze ist Pulsatilla. zu deutsch; die kleine Angestoßene, Angeschlagene, womit die Glocke oder Schelle gemeint ist. Im Deutschen hat die Pflanze viele Namen, die bekann­testen sind Kuhschelle und Küchenschelle. Der Sinn des Grundworts Schelle ist klar, es bezieht sich auf die glockige Form der Blüten. Auch der Name Kuhschelle ist einleuchtend, da einige Pulsatilla-Arten den Schellen ähneln, die in Gebirgsgegenden die Rinder auf der Weide tragen. Aber der Name Küchenschelle gibt Rätsel auf. Die einen erklären das Wort so: Küh-chen ist eine kleine Kuh, also bedeutet das mißverstandene Wort

Küchenschelle eine kleine Kuhschelle. Aber hier stimmt etwas nicht ganz. Die Pflanze wäre zwar bei der Deu­tung ihrer Blüte als Schelle einer kleinen Kuh als Kühchenschelle oder natürlicher als Kälberschelle zu be­zeichnen, aber als kleine Kuhschelle, d. h. als kleine Schelle einer Kuh ge­deutet, müßte sie etwa den Namen Kuhschellchen erhalten! Eine andere Erklärung läßt die Küchenschelle wirklich wegen ihres Gebrauchs als Küchenkraut so benannt sein. Aber das ist kaum denkbar, da sie giftig ist, übrigens nicht nur der Saft, sondern auch ein flüchtiger Stoff, den sie aus­strömt (er wirkt z. B. auf Ameisen, die mit der Pflanze in geschlossenem Behälter gehalten werden, betäubend oder gar tödlich).

Auf dem Weinberge kommen zwei Arten vor: die Gemeine Kuhschelle (P. vulgaris) und die Wiesenkuhschelle (P. pratensis). Beider Beinamen sind schwarzblaue Kuhschelle auch nicht glücklich gewählt, denn

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