finden wir an dem entgegengesetzten, also dem nach der Chaussee zu, kaum ein Büschelchen davon. Es ist, als ob sich hier an unseren Prignitzer Alpen die atlantische und die kontinentale Flora begegnen und den Kamm als ihre Scheidelinie respektieren. Das Heidekraut als typische atlantische Pflanze übersteigt nicht die trennende Linie des Bergrückens.
Wir schauen noch einmal hinunter zum Schienenstrang, auf dem sich unser Bähnle immer über den Berghang hinwegquälen muß, sehen die lange Rodelbahn, auf der im Winter unsere Jungen und Mädel hinunterfegen und tauchen dann zur Fortsetzung unserer Kammwanderung wieder im hohen Holz unter. Bald stehen wir unter alten Kiefern auf dem höchsten Punkt unserer Berggruppe. Ein tief versenkter vierkantiger Stein mit eingemeißeltem Kreuz bezeichnet diesen für die gesamte Umgebung höchsten und wichtigen trigonometrischen Punkt. (Siehe Artikel Dr. Viereck „Die Weinberge bei Perleberg“ in diesem Heft).
Unser nüchterner Vermessungspunkt kann zum Erleben werden, wenn wir uns an dieser Stelle um 100 Jahre zurück versetzt denken. Äm 12. Oktober 1850 führte man den Kossäten Peter Braun hierher, um ihn mit dem Schwerte hinzurichten. — Als 1539 die Reformation in Perleberg ihren Einzug halten konnte, gab’s als Belohnung die Einrichtung eines Landgerichts. Es trat bald darauf in der Hinrichtung des Hans von Wartenberg aus Nebelin in Funktion. Als 1848 wieder eine neue Zeit anzubrechen schien, sicherten sich die Perleberger rechtzeitig das Schwurgericht. Auch dieses verlangte sein Opfer. Peter Braun wurde es. Bis zuletzt hat er seine Unschuld beteuert. Als der Justizirrtum nicht mehr gutzumachen war, gestand der Bruder auf dem Sterbebett, der Mörder gewesen zu sein. Peter Brauns Grab wurde bis in unsere Tage gepflegt. Nun aber ist in den hohen Kiefern da oben viel gefällt und durcheinandergebracht worden und das Grab ist ausgelöscht.
Durch lückigen Altkiefernbestand, unterwachsen mit zahlreichen frischgrünen Anflugbirken, führt uns der Weg hangab, hangauf zur „Hoffmeister- Schlucht“. Unten steht noch der Förderturm und erzählt davon, wie ungeheure Kiesmassen hier herausgeholt wurden und zum ehemaligen Gute Tonkithal flössen, um mitzuhelfen, die Hallen und die großen Gebäudekomplexe des Flugplatzes zu bauen. Auch hier versuchen einzelne breit- buschige junge Kiefern den Anblick der tiefen Wunden des Berges zu lindern, aber die schmale Kante, auf der wir stehen, zeigt uns, daß auch Berge vergänglich sein können.
Wir schauen über die Wälder und Felder da unten, auf das Dörfchen Wüsten-Buchholz und nehmen dann Abschied vom Komplex der Wein- Berge. Hinunter geht’s zur Kreischaussee. Diese führt in einer langen
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