Heft 
(1955) 3
Seite
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Steigung hinauf zu diesem durch Menschenhand vertieftenBergpaß zwischen Wein-Berge und Golm. Jenseits des Passes nimmt uns das Gebirgsmassiv der Golmer Berge auf. Wir steigen gemächlich, denn es muß Zeit bleiben, dem silberhellen Frühlingsgesang der feinstimmigen Braunelle zu lauschen, dem dumpfen und sich schnell folgenden, immer dreifachenhup hup hup des sich wieder vermehrt angefundenen Wiede­hopfs und auch dem vollen, werbenden und lockenden Rufen des Wild­täubers. Auf einem hohen Ast dreht er sich und tut schön, daß es eine Lust ist, ihm aus der Deckung zuzuschauen.Duhuu! Dudu! Und siehe, da ist auch schon die Täubin, und ihre Schnäbel vereinen sich bald in Zärtlichkeit. Es ist, als wenn auch sie in trunkener und kosender Welt­vergessenheit spüren, daß jetzt der Wonnemonat ist.

Als wir den Hang hinauf sind, verhalten wir den Schritt. Es ist wie ein Fluch um diese Berge: Unser Weg wird wieder gehemmt durch eine steil abfallende Wand, durch ein mächtiges Loch, das sich vor uns auftut. Wir stehen vor der seit Jahrzehnten ausgebeuteten großen Kreiskieskuhle. Aufenthaltsraum, Loren und Schienenstränge und eine Rollbahn für die Lastautos, die unaufhörlich hier herausholen, sind da unten. Steil müssen wir abseilen, und'mühselig kraxeln wir drüben die Wand wieder hoch.

Die Kammwanderung läßt uns einen den Rücken quer überwindenden, grasbewachsenen Waldweg überschreiten, der gleichzeitig die Grenze zum nun beginnendenStaatlichen bildet, und dann stehen wir oben über dem Nordhang des Golm, dessen Kahlschlag bereits wieder als frische Kultur in langen Pflanzreihen die jungen Kiefernpflanzen hoffnungsfroh grünen läßt. In der Ferne blaut der andere gewaltige Moränenwall, den die Eiszeit einst als letzten im sogenanntenPommerschen Halt hier auf­türmte: die lange Kette der Ruhner Berge. Gramzow liegt vor uns und Baek mit seinem alten Wehrturm und ganz dicht unter uns, zu unseren Füßen fast, Groß-Buchholz. Es reizt, zu den sonnbeschienenen roten Dächern und zu dem freundlichen Gasthause, das wir da kennen, hinunterzusteigen, aber unsere Kammwanderung ist noch nicht zu Ende.

An einer Schonungskante entlang und über eine alte Brandfläche hinweg kommen wir zum Südhang des Golm. Da schauen wir hinunter ins Stepnitz­tal. Weite, weite Wälder, im Winde leicht bewegte dunkle Wipfel der Kie­fern! Tief haben sich hier zu unseren Füßen die Schmelzwässer der in vier Intervallen wegtauenden bis zu 2000 m dicken Eismassen hinein­gewaschen. Die gewaltigen Erdmassen, die sie dabei entführten, füllten dabei die heutigen großen Sandgebiete auf, die sich südwärts unserer Stadt in dem weiten Heidegebiet bis zur Elbe erstrecken. Rechts unten in der Senke lag im Mittelalter das Winzerdorf Golm, das wohl der Raub-

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