Heft 
(1955) 5
Seite
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Bald verlor sich das Baugeheimnis. Nun regten sich kapitalistische Gegner. Sie boten Francke andere Verbindungslinien für seine Heimatstadt an mit Zollfreiheiten und Tarifermäßigungen; denn Bestechungen waren unmög­lich bei dem klaren, eindeutigen Wesen des Magdeburger Bürgermeisters. Zuerst erschienen die Vertreter des ehemaligen Königreiches Hannover, strotzten voller Liebenswürdigkeit für seine Verkehrsplanungen und schlu­gen eine Bahn über Uelzen mit Anschluß nach Bremen vor. Der Durch­gangszoll sollte nicht höher werden als 1 Groschen für 50 kg Hamburger Gewicht! Dann kam die privatkapitalistische Halberstädter Bahn, die durch billige Tarife ohne Zollrevision den Umweg über Braunschweig ausgleichen wollte. Francke wird diese Pläne mit seinen Mitarbeitern wohl geprüft haben. Als ob er weitschauend eine um hundert Jahre vorauseilende Entwicklung überblicken könnte, blieb Francke fest. Hamburg sollte auf dem Südostweg mit dem mitteldeutschen Raum über die Prignitz hinweg mit Magdeburg, Leipzig, Dresden konkurrenzlos verbunden werden! Verweile einmal im Lesen, Wittenberger, und prüfe deine Heimatstadt, deine Vaterstadt auf ihre Umschlagsmöglichkeiten und sehe sie ohne Elb­brücke, ohne Verbindung mit den Südbezirken der DDR. Wie einsam läge unsere Stadt da im Dornröschenschlaf; weitab blinkte der wirt­schaftsbelebende Strang der Eisenbahn, die grüne Strecke.

,.Wer Feinde hat, besitzt auch Freunde! Das ist ein wahres, besinnliches Wort. Francke erhielt auch Unterstützung. Die Städte der Altmark forder­ten gemeinsam von Francke, sein Projekt ja durch ihre Lande zu führen. Leipzig mit einflußreichen Firmen, an deren Spitze Fritz Harkert stand, gab geldliche Zuwendungen.Uns Leipzigern muß es möglich sein, in einem Tage Hamburg zu erreichen! Mons aus Erfurt bat Francke um seine Mithilfe bei dem Bau der Thüringer Eisenbahn; denn Gotha und Eisenach haben zu wenig Verständnis für die verkehrsaufschließende Bedeutung ihres Planes. Francke half, und heut fährt ein Thüringen-Ostsee-D-Zug durch unsere Heimat. Ja, die Zeiten ändern sich! Damals erstrebten auch weitsichtige Stadtväter unserer Nachbarstadt dringend, das Magdeburger Projekt noch um 1 % Meilen nach Perleberg zu verlängern. Das sind wohl­tuende Nachrichten gewesen!

Leider schalteten sich zur Geldbeschaffung für den Bau die Börsianer von Berlin ein unter Führung von S. Herz; dieser wußte in den Ministerien besser Bescheid als Francke, und mit sicheren Firmen brachte er im Nu eine Zeichnung von 3 Millionen Talern auf, die sich bald auf 5 Millionen steigerten. So suchte Privatkapitalismus hohe Profite, Werktätige bau­ten nur; den Werktätigen gehören aber dennoch die Einnahmen. Das ist eine notwendige Forderung sozialistischer Entwicklungstendenz.

Nach nur zweimonatiger Planungszeit am 29. September 1843 wurde durch allerhöchsten Entscheid die Eisenbahnlinie MagdeburgWittenberge

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